Verteidigungsminister Thomas de Maizière reist erstmals in einer Regierungsmaschine ohne militärischen Schutz an den Hindukusch.

Masar-i-Scharif. Unter dem üblichen "We wish you a pleasant flight" steht das Ziel Masar-i-Scharif auf dem Monitor. Die deutsche Luftwaffe wünschte den Passagieren des Fluges GAF 816 eine angenehme Reise - von Berlin-Schönefeld direkt ins Krisengebiet Afghanistan. Diese Verbindung ohne Zwischenstopp hat es so noch nicht gegeben - und zwar aus Sicherheitsgründen. Doch Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) hat "das für heute mal so entschieden", heißt es.

Als erstes Mitglied der Bundesregierung ist er direkt nach Masar-i-Scharif geflogen, in einem weißen Airbus A310. Am Morgen landete er im Militärcamp Marmal, dem Hauptstützpunkt der Bundeswehr in Afghanistan. Ansonsten war der Minister im usbekischen Termes immer in eine Nato-olivgrüne Militärmaschine umgestiegen, die gegen Raketenbeschuss gesichert ist. Doch vor Raketen hatte de Maizière bei diesem Besuch keine Angst - ausnahmsweise. Bei seiner neunten Afghanistanreise als Verteidigungsminister wollte er ein Zeichen setzen "für die bessere Sicherheit hier im Norden".

Solche Bilder sind wichtig in diesen Tagen. Noch im November wollen de Maizière und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) dem Parlament einen Vorschlag machen, wie viele Soldaten im nächsten Jahr aus Afghanistan abziehen können. Ende des Monats soll das Kabinett in Berlin, im Januar dann der Bundestag über ein neues Mandat für die Internationale Schutztruppe (Isaf) entscheiden. Derzeit sind rund 4700 Bundeswehrsoldaten im Norden stationiert, im Laufe des nächsten Jahres könnten es nach Informationen der Zeitung "Die Welt" 1300 weniger werden. Die Absprachen stehen vor dem Abschluss.

Erst zum dritten Mal seit Amtsantritt im März 2011 stehen für de Maizière politische Gespräche im Vordergrund seiner Reise. Er wolle sich ein Bild machen, wie "die Afghanen allmählich zunehmend die Dinge in die eigenen Hände nehmen", sagte der Minister. Bis Ende 2014 will die Nato ihre Kampfmission im Land beenden. Doch schon ab Mitte 2013 sollen die Isaf-Soldaten allmählich in ihre Stützpunkte zurückkehren, nur noch beraten und unterstützen, etwa mit Drohnen, Hubschraubern oder Ärzten. Dann sollen die lokalen Sicherheitskräfte in der ersten Reihe stehen. Er habe "großen Respekt" vor der afghanischen Armee, betonte de Maizière nach dem Gespräch mit seinem Kollegen Bismullah Khan. "Wir bewundern ihre Kampfkraft."

Die Zahlen sehen tatsächlich gut aus: Die internationale Gemeinschaft hat ihr Ziel fast erreicht, 352 000 afghanische Soldaten und Polizisten auszubilden. An der Qualität, der Einsatzbereitschaft der einheimischen Sicherheitskräfte werden aber nach wie vor Zweifel laut. Minister Khan verwahrte sich gegen die Kritik, seine eigene Truppe sei nicht in der Lage, nach dem Ende der Isaf allein für die Sicherheit des Landes zu sorgen. Der deutsche Verteidigungsminister sagte ihm jedenfalls Verlässlichkeit zu. Deutschland werde das bisherige Isaf-Mandat "zuverlässig und vernünftig zu Ende bringen" - und sich danach weiter in Afghanistan engagieren, zum Beispiel beim Aufbau von Militärschulen.

Schon jetzt bemüht sich Deutschland, seiner Mission am Hindukusch ein zivileres Gesicht zu geben. Am Donnerstag gibt es dazu eine kleine Feier in der Unruheprovinz Kundus: Dann übergibt die Bundeswehr die Leitung des regionalen Wiederaufbauteams (PRT) an das Auswärtige Amt. Künftig ist der Diplomat Helmut Landes der Hausherr im Feldlager. Bisher ist es Oberst Ullrich Spannuth. "Wir können es uns nun erlauben, eine weniger prominente Rolle zu spielen", sagte Spannuth. Er sei künftig eine Art Sicherheitsberater, das Bindeglied zwischen dem zivilen und dem militärischen Bereich im PRT. Für die "gemeinsame Operation" hat er sich folgendes Bild überlegt: "Das Militär ist der Anästhesist, die zivilen Organisationen sind die Chirurgen und Fachärzte." Das Militär könne keine Ursachen heilen, sondern nur "den Patienten in die Lage versetzen, dass man ihm helfen kann". In Zukunft stehe dann der Narkosearzt nur noch bereit - "für den Fall, dass der Patient erneut akute Hilfe braucht".

Wie konkret die militärische Hilfe für den "Patienten Afghanistan" ab 2014 aussehen kann, das will de Maizière bei seinem zweitägigen Besuch ebenfalls erkunden. Die nötigen Beschlüsse wird eine neue Bundesregierung fällen. Und damit die im Herbst 2013 nicht gleich mit dem sensiblen Thema Afghanistan überfordert wird, wird das nächste Mandat voraussichtlich einen Monat oder zwei Monate länger laufen als ein Jahr. De Maizière, der gern noch etwas länger Verteidigungsminister bleiben würde, könnte dann wieder mit Schlips und Kragen an den Hindukusch fliegen. Seinen Regierungsflieger ließ er diesmal allerdings in Masar-i-Scharif stehen. Für den Weiterflug nach Kabul stieg er doch in eine geschützte Transall um. Stahlhelm und Splitterschutzweste lagen zur Hand.