Der Rücktritt von CIA-Chef David Petraeus wegen einer außerehelichen Affäre bringt US-Präsident Barack Obama in Bedrängnis.

Hamburg. Vor einer Woche veröffentlichte die amerikanische Nachrichtenwebsite "The Daily Beast", die zusammen mit dem Magazin "Newsweek" erscheint, zwölf goldene Lebensregeln eines Mannes, der zu den angesehensten Persönlichkeiten der USA zählte: General David Petraeus, CIA-Chef und strategischer Vordenker des US-Militärs, respektvoll "König David" genannt. Petraeus hatte unter anderem eine neue Strategie zur Aufstandsbekämpfung im Irak und in Afghanistan entwickelt und dort auch umgesetzt.

Unter Punkt eins der Lebensregeln heißt es: "Führe per Vorbild", und unter Punkt fünf: "Wir alle machen Fehler. Der Schlüssel ist, sie zu erkennen, sie zuzugeben und aus ihnen zu lernen." Verfasserin des Artikels war die Star-Journalistin Paula Broadwell.

Wenige Tage später musste Petraeus, der als Kandidat für das Amt des US-Verteidigungsministers gehandelt wurde und dem man sogar präsidiale Ambitionen zugetraut hatte, zurücktreten und seine Fehler öffentlich eingestehen. Ausgerechnet dieser Modell-Amerikaner, der als asketischer "Krieger-Mönch" und kaum ablenkbares Arbeitstier galt, musste einräumen, dass er mit jener Paula Broadwell monatelang eine außereheliche Affäre hatte. Präsident Obama, der den Rücktritt seines gefallenen Stars zähneknirschend annahm, hat damit kurz nach seinem Wahlsieg ein ernsthaftes Problem.

Er muss rasch einen neuen CIA-Chef finden, nachdem bereits Außenministerin Hillary Clinton und Verteidigungsminister Leon Panetta ihren Abschied angekündigt haben. Zudem steht die CIA gerade mal wieder im Zwielicht: Der Geheimdienst soll dem Präsidenten im Zusammenhang mit der Erstürmung des US-Konsulats im libyschen Bengasi im September, bei der US-Botschafter Christopher Stevens starb, katastrophale Fehleinschätzungen über Libyen geliefert haben.

Die Affäre zwischen Petraeus und Broadwell verleiht dem amerikanischen Ausdruck "embedded journalist" - "wörtlich: (bei Kriegseinsätzen des US-Militärs) eingebetteter Journalist" - eine gänzlich neue Bedeutung. Broadwell hatte den General 2006 bei einem Vortrag an der Harvard-Universität, wo sie ihren Master machte, angesprochen - sie wollte ihn bei seiner Arbeit begleiten. 2011 tauchte sie einfach in Afghanistan bei ihm auf und begann eine Biografie des Kriegshelden zu schreiben. Sie soll Anfang des Jahres erscheinen. Die Journalistin blieb ein ganzes Jahr am Hindukusch und wich Petraeus nicht mehr von der Seite. Beide sind extreme Fitnessfreaks und rannten um die Wette durch Kabul - "sehr, sehr schnell", wie Broadwell in einer US-Show berichtete. Der eisenharte 60-jährige General, der oft nur einmal am Tag isst und regelmäßig joggt, war fasziniert von dieser attraktiven 40-jährigen Superfrau, die Ballkönigin gewesen war, Konzertmeisterin des Schulorchesters, Fotomodell für einen Waffenkonzern, eine Soldatin, die wie Petraeus eine Ausbildung an der militärischen Eliteanstalt West Point genossen hatte, dazu einen Harvard-Abschluss besaß und als Triathletin einen total durchtrainierten Körper. In der Talkshow von TV-Star Jon Stewart forderte Broadwell diesen zu einem Liegestütz-Wettbewerb heraus. Stewart gab nach 38 Liegerstützen erschöpft auf, Broadwell hörte nach 60 auf - und hätte offenbar noch endlos weitermachen können.

Wie Petraeus ist Broadwell verheiratet und hat zwei Kinder. Die Affäre flog auf, als sich eine Frau in Petraeus' engster Umgebung, deren Identität bislang nicht preisgegeben wurde, beim FBI über eine aggressive E-Mail von Paula Broadwell beschwerte. Möglicherweise hat Broadwell diese andere Frau als Rivalin betrachtet. Die Gegenspionageabteilung der US-Bundespolizei wollte zunächst nur sicherstellen, dass kein Sicherheitsleck bezüglich des Geheimdienstchefs bestand - und stieß dann auf die private Mail-Korrespondenz zwischen dem General und der Journalistin. Es mag auch eine Rolle dabei gespielt haben, dass zwischen der CIA und dem FBI eine traditionelle Rivalität besteht. FBI-Chef Robert Mueller informierte Justizminister Eric Holder, dieser den Nationalen Geheimdienstkoordinator James Clapper und Clapper dann Präsident Obama.

In der Begründung für seinen Rücktritt entschuldigte Petraeus sich für sein "inakzeptables Verhalten" als CIA-Chef und Ehemann nach 37 Jahren Ehe mit seiner Frau Holly. Er habe mit der Affäre ein "erbärmliches Urteilsvermögen an den Tag gelegt".

Der spitzzüngige US-Talkshowmoderator Jay Leno spottete, wenn nicht einmal der Chef des Geheimdienstes eine Affäre geheim halten könne, dann habe Amerika ein echtes Problem.