Unabhängig davon, wie ernst der Plan zu nehmen ist: Das Hasspotenzial für einen Anschlag ist in den USA vorhanden.

Hamburg/Washington. "Sie wissen doch genau, dass Barack Obama ermordet werden kann. Je näher er der Präsidentschaft kommt, desto wahrscheinlicher wird ein Attentat." Reverend Billy Kyles, 73 Jahre alt, ist Pastor in Memphis im US-Bundesstaat Tennessee. Am 4. April 1968 erlebte Kyles die Ermordung seines Freundes Martin Luther King im Lorraine-Hotel und hielt die Hand des Sterbenden. Im April dieses Jahres sagte er dem Londoner "Daily Telegraph": "Man muss diese Angst beiseite schieben und den Secret Service einfach seinen Job tun lassen." Der Secret Service bewacht Obama bereits seit Mai 2007.

Ein Attentat auf den ersten schwarzen Präsidentschaftskandidaten ist ein Albtraum vor allem für die schwarze Minderheit.

Wie groß die Gefahr ist, zeigt die Festnahme von zwei jungen Neonazis in Tennessee. Die beiden Waffennarren im Alter von 18 und 20 Jahren hätten Obama ermorden und in einem Amoklauf insgesamt 88 schwarze Schüler töten wollen, wie es in jetzt freigegebenen Akten des Bezirksgerichts von Jackson, Tennessee, hieß.

Video: Attentatsversuch auf Obama vereitelt

Sie wollen jetzt mehr sehen? Hier geht’s zum Videoportal

Zwar wirkt der Plan von Daniel Cowart aus Bell in Tennessee und Paul Schlesselman aus West Helena in Arkansas, einfach in einem Wagen mit hoher Geschwindigkeit auf Barack Obama zuzurasen und aus den Fenstern auf ihn zu schießen, wenig durchdacht, doch die kriminelle Energie ist erschreckend. Jim Cavanaugh, Spezialagent der US-Behörde ATF, die unter anderem für Waffenvergehen zuständig ist, sagte, die beiden hätten nicht geglaubt, dabei lebend davonzukommen, und waren bereit zu sterben. "Sie erklärten, das sei als ihr letzter, finaler Akt geplant gewesen - der Versuch, Senator Obama zu töten."

Cavanaugh berichtete, von den 88 schwarzen Schülern sollten 14 enthauptet werden. Die achte Zahl des Alphabets ist das H, 88 steht für Heil Hitler. Und das Credo der weißen US-Rassisten umfasst 14 Worte: "We must secure the existence of our people and a future for white children" ("Wir müssen die Existenz unseres Volkes und eine Zukunft für weiße Kinder sicherstellen").

Die beiden Neonazis planten, zunächst einen Waffenladen auszurauben; Nylonseile und Skimasken hatten sie schon gekauft. Anschließend wollten sie die Bluttaten in weißen Smokings und Zylinderhüten begehen. Bei der Festnahme im County Crockett fand man bei ihnen ein Gewehr, eine abgesägte Schrotflinte und drei Pistolen. Cavanaugh sagte, die beiden hätten sehr entschlossen gewirkt; allein der Versuch eines Attentats hätte "eine Spur der Tränen durch den Süden" ausgelöst.

Eine besondere Bedrohung für einen Präsidenten Obama sieht der US-Sicherheitsexperte Randall J. Larsen, Direktor des Institutes for Homeland Security in Alexandria im US-Bundesstaat Virginia, aber nicht. "In einer Nation von 300 Millionen Menschen gibt es ein paar wahrlich verrückte Leute", sagte der frühere Airforce-Oberst dem Abendblatt. "Da macht es keinen Unterschied, ob der Präsident schwarz oder weiß ist. Und der Secret Service wird nichts anderes tun, ob der Präsident John McCain oder Barack Obama heißt. Auf wie viele weiße Präsidenten wurde geschossen! Ich habe mehrere Freunde beim Secret Service. Jeden Tag, den sie aufwachen, gibt es da draußen jemanden, der den Präsidenten ermorden will. Ich sehe da bei Obama keinen Unterschied."

Der Amerikaexperte Thomas Jäger, Professor für internationale Politik an der Universität Köln, sieht dagegen schon eine erhöhte Bedrohungslage. "Seit Mai 2007 erhält Obama einen Schutz, wie ihn der Secret Service sonst nur Präsidenten gewährt. Weil man relativ früh gemerkt hat, hier baut sich jemand auf, der Starkult genießt, der für das andere Amerika steht - und der deshalb gefährdet ist. Es steht außer Frage, dass es in den USA ein gewisses Potenzial für solche Anschläge gibt." Die rechte US-Szene mit den Milizen oder dem Ku Klux Klan sei "eine ganz bedrohliche Sache", sagte Jäger dem Abendblatt, "vor allem, wenn man sich das Umfeld ansieht. Bei einer Umfrage der ,New York Times' gaben 33 Prozent der Befragten an, jemanden zu kennen, der Obama nicht wählt, weil er schwarz ist. Die historische Zäsur eines schwarzen US-Präsidenten ist für die 'Blödrechten' ein Problem."

Filme zum US-Wahlkampf