Hamburg. Abendblatt:

Herr Botschafter, was hat die Welt von dem künftigen US-Präsidenten Barack Obama zu erwarten? Eine neue Ära?

William R. Timken:

Eine scheidende Administration sollte sich zurückhalten, die nächste Generation zu beurteilen. Ich will aber sagen, dass jeder Wechsel in der Führung eines Landes in eine neue Ära münden kann. Wir glauben, dass die extrem hohe Plattform der Beziehungen zwischen den USA und Deutschland, die wir zu einer wahren globalen Partnerschaft ausgebaut haben, der neuen Mannschaft eine hervorragende Ausgangsbasis bietet. Sie finden keine Probleme vor, die sie bewältigen müssen.



Abendblatt:

Obama hat bewährte Politiker wie Hillary Clinton und Ex-Nato-Oberbefehlshaber James Jones in sein Team berufen. Wie ist das zu bewerten?

Timken:

Wie gesagt, ich habe das nicht zu bewerten. Ganz offensichtlich ist für jedermann, dass Senatorin Clinton über eine umfassende politische Erfahrung verfügt, und der künftige Nationale Sicherheitsberater Jones kennt Europa und Deutschland sehr gut. Damit ist die Botschaft klar - Obama hat aufrichtige Transatlantiker in sein Team berufen. Für Europa sind das gute Nachrichten.



Abendblatt:

Wie sind die deutsch-amerikanischen Beziehungen?

Timken:

Im Prozess des Übergangs habe ich Präsident Obamas Team meine Informationen und Einschätzungen übermittelt. Und ich habe gesagt, die Beziehungen sind so stark, gereift, ausbalanciert und vielfältig wie nie zuvor.



Abendblatt:

Sind heute die ökonomischen Verflechtungen die Basis in diesen Beziehungen?

Timken:

Dies haben wir in den vergangenen neun Monaten untersucht, und tatsächlich hat sich gezeigt: Ja, so ist es. In früheren Zeiten waren Sicherheitsfragen Grundstein in diesen Beziehungen. Im 21. Jahrhundert sind es die ökonomischen Verflechtungen, weit mehr als viele glauben und viele wünschen mögen.



Abendblatt:

Obama wird es mit zwei Kriegen zu tun haben. Was sind die größten Herausforderungen im Irak und in Afghanistan?

Timken:

Der Irak entwickelt sich erfolgreich. Wir sehen Ansätze einer funktionierenden Demokratie, den Aufbau der Wirtschaft sowie eigener Sicherheitskräfte und den allmählichen Rückzug der USA, ausgehandelt mit der gewählten Regierung. In Afghanistan sind noch enorme Kraftanstrengungen nötig. Aber es gibt auch Erfolge. Als meine Frau und ich selbst kürzlich in Afghanistan waren, haben wir bemerkt, dass sich vor allem die Lage der Frauen verbessert hat. So können heute viele Mädchen Schulen besuchen, was früher verboten war. Fortschritte gibt es bei der medizinischen Versorgung ebenso wie beim Aufbau einer öffentlichen Ordnung und eines Rechtssystems. Aber es gibt eben viele Gegner dieses Fortschritts, die all das Erreichte zerstören wollen.



Abendblatt:

Werden die USA Deutschland um mehr Einsatz in Afghanistan bitten?

Timken:

Das fiele nicht in die Verantwortung der USA, sondern der Nato. Die Allianz wird bei ihrem nächsten Gipfel mit allen Mitgliedsstaaten über Afghanistan beraten. Obama wird daran teilnehmen. Und im Wahlkampf hat er in Berlin angekündigt, dass er den Kampf in Afghanistan verstärken wolle.



Abendblatt:

Was würden Sie ihrem Nachfolger in Berlin raten?

Timken::

Ich werde ihm keinen Rat geben. Das ist allein Sache des Präsidenten. Für den Posten des Botschafters gibt es keine Stellenbeschreibung. Eines ist aber sicher: Ganz Deutschland wird ihn willkommen heißen.