Die Regierung von Präsident Karsai verbietet für den heutigen Berichte über Gewalt: Die Wähler sollen keine Angst haben.

Hamburg/Kabul. Angesichts der ausufernden Gewalt in Afghanistan hat sich die Regierung von Präsident Hamid Karsai zu einer Art Vogel-Strauß-Politik entschieden. Für den heutigen Wahltag untersagte sie kurzerhand allen in- und ausländischen Medien zwischen sechs Uhr morgens und 20 Uhr abends jegliche Berichterstattung über Terroranschläge. Nach dem Motto: Wenn die Bevölkerung von Gewaltakten nichts erfährt, wird sie angstfrei an dem Urnengang teilnehmen, von dem sich Karsai eine weitere Amtszeit erhofft. Ausländische Journalisten würden widrigenfalls des Landes verwiesen, einheimische Medienbetriebe kurzerhand geschlossen. Reporter sollten sich von Tatorten fernhalten. Afghanische und internationale Medienvertreter sprachen empört von Zensur; die Uno forderte Karsai auf, die Maßnahme zurückzunehmen.

Die radikalislamischen Taliban, die jeglichen Versuch einer Einführung demokratischer Normen verhindern wollen, haben für heute Anschläge und Blockaden angekündigt. Mancherorts haben sie gedroht, all jenen Menschen, die vom Wahlgang mit Farbe markierte Finger aufweisen, selbige abzuschneiden. Die Taliban erklärten, sie hätten 20 Selbstmordattentäter in die Hauptstadt Kabul eingeschleust. Dass die Taliban, die inzwischen wieder mehr als ein Viertel des Landes fest kontrollieren, in der Lage sind, auch im einstmals verhältnismäßig sicheren Kabul jederzeit zuzuschlagen, bewiesen sie gestern mit einem spektakulären Banküberfall.

Drei Islamisten besetzten eine Bank in der Nähe des Präsidentenpalastes und feuerten wild um sich. Sicherheitskräfte erschossen die Männer. Journalisten und Schaulustige wurden mit Gewehrkolben-Hieben vertrieben, ein Kameramann und ein Reporter wurden festgenommen. Der Banküberfall war die dritte größere Taliban-Attacke in Kabul innerhalb von fünf Tagen.

Bis zu 17 Millionen Menschen sind wahlberechtigt, rund 100 000 Nato-Soldaten und rund 180 000 afghanische Kräfte sollen die Sicherheit in den fast 7000 Wahllokalen garantieren. Mehr als 30 Kandidaten treten bei den Präsidentschaftswahlen an. Amtsinhaber Karsai, der seit 2001 regiert, lag nach Umfragen in Führung vor seinem schärfsten Rivalen, dem früheren Außenminister Abdullah Abdullah. Der 48-jährige Augenarzt, der gegen die sowjetischen Besatzer und später an der Seite der USA gegen die Taliban kämpfte, ist ein bedeutender Führer der Volksgruppe der Tadschiken. Er ist zugleich halber Paschtune. Auch Karsai ist Paschtune - ebenso wie der dritte wichtige Kandidat, Aschraf Ghani Ahmadsai. Der ehemalige Finanzminister mit Doktortitel aus den USA arbeitete mehr als 20 Jahre im Ausland und war Sonderberater der Uno.

Der 43-jährige Ramasan Baschardost aus der Volksgruppe der Hazara war Planungsminister unter Karsai, musste aber 2005 zurücktreten, weil er die Regierung der Korruption bezichtigte und die Rolle der Hilfsorganisationen offen kritisierte.

Er dürfte ebenso chancenlos sein wie Mullah Abdul Salaam "Rocketi". Der frühere Taliban-Kommandeur verdankt seinen Beinamen der Tatsache, dass er stets großes Geschick im Abfeuern von Granatwerfern bewies.

Es wird mit einem Sieg Karsais gerechnet - nicht zuletzt deswegen, weil sich der Präsident der Unterstützung einiger mächtiger Kriegsherren wie des Usbeken-Generals Rashid Dostum versichert hat, die allerdings im Verdacht schwerster Menschenrechtsverletzungen stehen. Doch dürfte es Karsai, anders als vor fünf Jahren, diesmal wohl nicht gelingen, bereits im ersten Wahlgang durchzumarschieren. Er müsste dann in eine Stichwahl.

Beobachter gehen von Wahlfälschungen aus, es kursieren seit Tagen Berichte, dass es zu massivem Stimmenkauf gekommen ist. Auch verwundert die Tatsache, dass 17 Millionen Wähler registriert sind - Experten gehen davon aus, dass es überhaupt nur 15 Millionen berechtigte Wähler gibt. Die überzähligen Stimmen könnten für Manipulationen benutzt werden. "Wahlbetrug ist fast unvermeidbar", sagte Sandschar Sohail, Gründungsmitglied der unabhängigen Wählervereinigung Fefa.