Nach einem halben Jahr im Amt gerät US-Präsident Barack Obama in die Defensive. Krise, Staatsverschuldung und die Gesundheitspolitik sind Auslöser.

Hamburg/Washington. Dass es schwer werden würde, wusste er. Aber ausgerechnet jetzt, bei der Umsetzung seines wichtigsten Wahlkampfziels, gerät US-Präsident Barack Obama in die Defensive: Seiner Gesundheitsreform kommt die anhaltend schlechte Wirtschaftslage in die Quere. Der hoch polarisierte Streit über die Reform könnte zu einem ersten Einbruch seiner Autorität führen. Schon jetzt verhageln ihm Umfrageergebnisse seine erste Halbjahresbilanz.

Noch 55 Prozent der Amerikaner stimmen seiner Politik zu, während es im Januar nach seiner Vereidigung noch 81 Prozent waren, ergab eine Umfrage des GfK-Instituts. Der Wert von 55 Prozent liegt über dem von Bill Clinton nach dessen ersten sechs Monaten im Amt und etwa gleichauf mit dem von Obamas direktem Vorgänger George W. Bush zur gleichen Zeit.

Zweifel wachsen vor allem an Obamas Wirtschafts- und Gesundheitspolitik. Der Anteil derjenigen, die an eine wirtschaftliche Verbesserung durch Obama glauben, ist um ganze 19 Prozent gesunken. Nur noch 66 Prozent denken, dass der Präsident die Sorgen der einfachen Amerikaner versteht - im Januar waren es 81 Prozent. Damals hielten 78 Prozent Obama für eine starke Führungspersönlichkeit, jetzt sind es 69 Prozent.

Obama reagierte auf die Ergebnisse gelassen. Um gute Umfragewerte zu haben, sei es am einfachsten, wenig umzusetzen und ja keinen Streit anzuzetteln, sagte er dem Fernsehsender CBS. "Aber dafür hat mich das amerikanische Volk nicht hierher geschickt. Sie haben mich geschickt, um Probleme zu lösen."

Die Gesundheitsreform, die jetzt zum Prüfstein seiner Konsequenz wird, enthält gleich drei potenzielle Tretminen. Erstens die geplante Reichensteuer, mit der die Reform finanziert werden soll und die Einkommen über 250 000 Dollar im Jahr mit einer Zusatzsteuer belasten soll. Die Demokraten sind in dieser Frage gespalten, die Republikaner laufen dagegen Sturm. Kongress-Sprecherin Nancy Pelosi schlug vor, die Eingangstarife der Steuer noch einmal zu überarbeiten. Dass der Kongress die Steuer noch vor der Sommerpause beschließt, wie Obamas Zeitplan es vorsah, ist jedenfalls zweifelhaft.

Zweiter Streitpunkt: Viele Abgeordnete und Senatoren fürchten, dass die Gesundheitsreform den krisengeschüttelten US-Firmen durch die höheren Arbeitgeberbeiträge eine im Moment unzumutbare Belastung aufbürdet. Drittens: Die Reform selbst kostet Geld, das nicht vorhanden ist. Mehrere Entwürfe in beiden Parlamentskammern beziffern die Kosten für die nächsten zehn Jahre auf eine Billion Dollar.

Dabei ist sowohl Demokraten wie Republikanern klar, dass eine Reform überfällig ist: Die USA haben nicht nur das teuerste, sondern auch eins der ungerechtesten Gesundheitssysteme der Welt: Es kostet pro Kopf rund doppelt so viel wie in Deutschland, aber 46 von 300 Millionen Amerikaner haben überhaupt keine Krankenversicherung.

Obamas Alternative, den teuren Privatkassen künftig mit einer staatlichen Kasse Konkurrenz zu machen, verurteilen die Republikaner jedoch als "sozialistisches Machwerk". Sie wollen, dass er dieses Gesetz "vom Tisch nimmt". Die Positionen haben sich verhärtet.

Obama will dennoch an seinem Zeitplan bis 8. August festhalten. Auch die Zusatzsteuer für Reiche stehe nicht zur Disposition, sagte er. Die Mühen der Ebene sollte Obama lieber nicht unterschätzen. Die Arbeitslosigkeit steigt, das superteure Konjunkturprogramm zeigt kaum Wirkung. Und in Afghanistan sterben derzeit mehr US-Soldaten als je zuvor. 54 Prozent der Amerikaner glauben, dass sich das Land wieder auf einem falschen Kurs befinde.