Israel und die Hamas sind sich einig. Der israelische Soldat Schalit kommt im Gegenzug für 1000 palästinensische Gefangene frei.

Gaza. Nach mehr als fünf Jahren Verhandlungen haben Israel und die im Gazastreifen herrschende Hamas schriftlich einen umfassenden Gefangenenaustausch vereinbart. Der im Juni 2006 in das Palästinensergebiet entführte israelische Soldat Gilad Schalit soll „in den kommenden Tagen lebend und heil zu seiner Familie und seinem Volk zurückkommen“, sagte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Dienstagabend. Im Gegenzug sollen mehr als 1000 palästinensische Häftlinge freikommen. Den Austausch vermittelte die ägyptische Regierung. Das Kabinett von Netanjahu trat zu einer Sondersitzung zusammen, um den Handel abzusegnen.

„Es ist das beste Abkommen, das wir in diesen stürmischen Zeiten im Nahen Osten erzielen konnten“, sagte Netanjahu. Am vergangenen Donnerstag hätten Unterhändler beider Seiten in Kairo eine Grundsatzvereinbarung unterzeichnet und am Dienstag dann die endgültige Einigung.

Auch der militärische Hamas-Arm in Gaza bestätigte den geplanten Tausch. Der einflussreiche Exilchef der Hamas, Chaled Maschaal, sprach in Damaskus von 1027 palästinensischen Gefangenen, die in zwei Schritten freikommen sollten. Nach Angaben von Maschaal sollen 450 militante Palästinenser sowie die 27 Frauen schon binnen einer Woche freigelassen werden. In einem weiteren Schritt sollten binnen zwei Monaten 550 weitere militante Kämpfer freikommen. Schalit (25) soll erst nach Ägypten und in einem zweiten Schritt nach Israel gebracht werden.

„Dies ist ein nationaler Erfolg für das palästinensische Volk, wir haben versucht, alle palästinensischen Häftlinge in den israelischen Gefängnissen in den Handel einzubeziehen“, sagte Maschaal. „Wir versprechen den restlichen Gefangenen, dass wir sie auch freibekommen werden.“ In israelischen Gefängnissen sitzen insgesamt rund 7000 Palästinenser ein.

Nach unbestätigten Medienberichten sollte auch Marwan Barguti, ein zu fünfmal lebenslanger Haft verurteilter Spitzenpolitiker der Fatah-Bewegung von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, zu den Freizulassenden gehören. Das zweite israelische Fernsehen berichtete jedoch am späten Abend, Barguti sei nicht Teil des Handels.

Die Einzelheiten seien zuletzt in Kairo unter ägyptischer Vermittlung vereinbart worden, sagte Netanjahu. „Ich übermittle meinen besonderen Dank an die ägyptische Regierung und ihren Geheimdienst, die sehr geholfen haben.“ Er dankte ausdrücklich auch dem deutschen Unterhändler sowie Bundeskanzlerin Angela Merkel für ihre Unterstützung. Deutschland hatte in den letzten Jahren immer wieder zwischen beiden Seiten vermittelt.

Israelische Medien berichteten, Netanjahu habe sich am Dienstagmittag mit Noam Schalit, Vater des entführten Soldaten, getroffen. Bei dem sehr emotionalen Gespräch habe er Schalit über den geplanten Tauschhandel informiert. Nach den Berichten über eine Einigung mit Hamas brach in dem Protestzelt, in dem die Familie des Soldaten sowie Freunde und Unterstützer seit Monaten vor Netanjahus Amtssitz ausharren, großer Jubel aus.

Die Eltern reagierten jedoch weiterhin vorsichtig. „Wir wollen abwarten, wie die Regierung abstimmt“, sagte der Vater Noam Schalit, der auch die französische Staatsbürgerschaft hat. „Wir sind sehr optimistisch und sehr glücklich, aber tief drinnen sitzt immer noch die Angst, dass etwas schiefgehen könnte“, sagte die Freundin von Schalits Bruder Joel. „Wir haben Schmetterlinge im Bauch, es gibt eine größere Hoffnung, dass Gilads Leiden endlich aufhört und er nach Hause zurückkommen kann“, sagte Schalits Bruder.

Nach Bekanntwerden des Gefangenenaustauschs feierten im Gazastreifen tausende von Palästinensern spontan auf den Straßen und schwenkten grüne Hamas-Flaggen.

Gilad Schalit war am 25. Juni 2006 während eines Angriffs militanter Palästinenser unter Hamas-Kommando auf einen israelischen Militärstützpunkt am Rande des Gazastreifens verschleppt worden. Während seiner Gefangenschaft durfte er nur drei Briefe, eine Audio- und eine Videobotschaft an seine Familie übermitteln. Seit Anfang Oktober 2009 fehlt jedes Lebenszeichen.

Der Aufenthaltsort Schalits ist unbekannt. Die Hamas verweigerte selbst Vertretern des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) den Zugang. Sie befürchtete, dass Israel mit Hilfe der IKRK-Mitarbeiter den Aufenthaltsort Schalits ermitteln und ihn dann befreien könnte.