Immer mehr Soldaten verweigern dem Regime die Gefolgschaft und desertieren. Syrien fordert Auslieferung der Fahnenflüchtigen.

Damaskus/Istanbul/Beirut. In Syrien verweigern aufgrund der Gewaltorgien immer mehr Soldaten dem Regime von Präsident Baschar al-Assad die Gefolgschaft und setzen sich in Nachbarländer ab. Damaskus ist angesichts dessen in Sorge.

Das syrische Justizministerium forderte die libanesischen Behörden am Freitag auf, bewaffnete Syrer, die am vergangenen Wochenende zusammen mit Zivilisten in die Bekaa-Ebene geflohen waren, auszuliefern. Nach Angaben aus Justizkreisen in Beirut waren 28 der 35 bewaffneten Syrer freigelassen worden, nachdem sich herausgestellt hatte, dass sie ihre Waffen im Libanon nicht benutzt hatten.

Am Donnerstag hatten sich drei ranghohe Offiziere in die Türkei abgesetzt. Dort haben sie nichts zu befürchten. Denn die Türkei hat allen Flüchtlingen Schutz garantiert, auch Angehörigen des bewaffneten Widerstandes. Die Deserteure – zwei Generäle und ein Oberst – seien über die Grenze in die Provinz Hatay gekommen, berichtete der türkische Nachrichtensender TRT.

Der Gouverneur der nordirakischen Provinz Ninive, Athiel al-Nudschaifi, hatte diese Woche Ermittlungen zum Schicksal von zwei syrischen Deserteuren gefordert. Diese waren seinen Angaben zufolge in Ninive von irakischen Grenzwächtern abgewiesen worden.

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Der Libanon will generell jedoch keine bewaffneten syrischen Deserteure auf seinem Staatsgebiet dulden. Der Kommandeur der Streitkräfte, General Jean Kahwadschi, sagte dem Magazin „Al-Afkar“, jeder, der in Beirut um Bewegungsfreiheit für syrische Rebellen bitte, „klopft an der falschen Tür an“. Die US-Botschafterin in Beirut, Maura Conelly, hatte kürzlich von Innenminister Marwan Charbel gefordert, alle Syrer im Libanon zu schützen, auch die Angehörigen der Freien Syrischen Armee.

Der Libanon hat derzeit eine Regierung unter Beteiligung der schiitischen Hisbollah-Bewegung, die mit Assad kooperiert. Sie erlaubt, anders als Jordanien und die Türkei, lediglich Zivilisten aus Syrien die Einreise.

Angehörige der syrischen Sicherheitskräfte sollen am Freitag bei Protesten, Razzien und Militäroperationen in Homs und anderen Hochburgen des Protests 38 Menschen getötet haben. Oppositionelle berichteten, in Dschabal al-Sawija in der Provinz Idlib seien zwei Männer in ihren Häusern erschossen worden. Tausende von Regimegegnern folgten am Freitag einem Aufruf zu Demonstrationen unter dem Motto „Ehrenvolles Andenken an den Kurdenaufstand von 2004“. In mehreren Vierteln von Damaskus und in zwei Ortschaften in der Provinz Hama seien die Moscheen vor dem Freitagsgebet geschlossen worden, um zu verhindern, dass sich dort Demonstrationszüge formieren.

Im März 2004 war es nach Gewalt bei einem Fußballspiel in der Stadt Kamischli zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Kurden und der syrischen Staatsmacht gekommen. Soldaten waren mit Panzern in das Gebiet an der Grenze zur Türkei eingerückt. Ein Teil der kurdischen Minderheit sympathisiert mit dem Aufstand gegen das Assad-Regime, der vor knapp einem Jahr begonnen hatte. Aktivisten verbreiteten ein Video, das ihren Angaben zufolge eine Anti-Assad-Demonstration von Kurden am Freitag in Kamischli zeigt. (dpa)