Bundeskanzlerin Angela Merkel vertröstet die amerikanische Regierung bis nach der Afghanistan-Konferenz Ende Januar.

Hamburg/Berlin/Washington. An Lob sparte die Kanzlerin nicht. Die neue Afghanistan-Strategie, die US-Präsident Barack Obama in der traditionsreichen Militärakademie West Point verkündet hatte, sei "ein kraftvolles Signal" an die afghanische Regierung sowie an die internationale Staatengemeinschaft, "dass die USA weiterhin der Stabilisierung Afghanistans hohe Bedeutung beimessen und dafür zu großen Anstrengungen bereit sind". Merkels Regierungssprecher Ulrich Wilhelm begrüßte auch den "umfassenden Ansatz der Einheit von Sicherheit und Entwicklung".

Nach monatelangem Zögern hatte Obama vor den West-Point-Kadetten - die vor seinem Auftritt von ihren Vorgesetzten zu einer enthusiastischen Reaktion ermuntert worden waren - die Marschroute für den Afghanistan-Krieg vorgegeben. 30 000 weitere Soldaten will er in der ersten Jahreshälfte 2010 an den Hindukusch entsenden und damit die US-Truppen dort auf rund 100 000 Mann bringen. Zugleich sagte Obama, dass der Abzug des US-Expeditionskorps bereits Mitte 2011 beginnen solle.

Vor allem für diesen Punkt hielt die deutsche Regierung Lob bereit. Die Kanzlerin habe dies begrüßt und gesagt, es sei "richtig und sinnvoll, ein Zeichen zu setzen", sagte Wilhelm in Berlin.

Was französische Zeitungen bereits am Vortag aus Pariser Quellen berichtet hatten, erfuhren gestern auch die "Bild"-Zeitung und die "Leipziger Volkszeitung" aus deutschen Regierungskreisen: Dass die Bundesregierung nämlich mit einer Forderung aus Washington rechne, bis zu 2500 weitere Bundeswehrsoldaten nach Afghanistan zu entsenden.

Damit würde das deutsche Kontingent jedoch über die Mandats-Grenze von 4500 Soldaten anwachsen und ein neuer Beschluss des Bundestages würde erforderlich. Denn mit jenen 120 Mann, die der neue Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg zusätzlich schicken will, wird die Zahl 4500 knapp erreicht. Heute will der Bundestag das bestehende Mandat zunächst um ein Jahr verlängern.

Doch die Kanzlerin hat es nicht so eilig mit einer Truppenverstärkung und einem neuen Mandat. Sie will eine Entscheidung darüber erst nach der internationalen Afghanistan-Konferenz fällen, die am 28. Januar in London stattfinden soll. Danach werde Deutschland entscheiden "ob und gegebenenfalls was wir an zusätzlichen Anstrengungen unternehmen", blieb Regierungssprecher Wilhelm im Ungefähren.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle sekundierte, eine Debatte über eine Aufstockung der deutschen Truppe sei vor der Londoner Konferenz "weder sinnvoll noch angebracht".

Doch eine Antwort erwarte die amerikanische Regierung vor dem 28. Januar auch gar nicht, fügte Westerwelle kühn hinzu.

Die Fraktionsvorsitzende der FDP, Birgit Homburger, gab ohnehin dem zivilen Aufbau in Afghanistan Vorrang vor einer militärischen Aufstockung. Und falls die Bundesländer nicht bereit seien, mehr Polizisten an den Hindukusch zu entsenden, könne der Bund das notfalls mit der Bundespolizei tun.

Über eine Entsendung weiterer Bundeswehreinheiten werde erst entschieden, wenn es eine Gesamt-Strategie der Verbündeten gebe, sagte Homburger. Nach Meinung des SPD-Wehrexperten Rainer Arnold ist eine Aufstockung der westlichen Truppen nur sinnvoll, wenn klar ist, was sie da zusätzlich tun sollen, wie er sagte.

Der Druck der USA und der Nato auf Deutschland dürfte aber zunehmen. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sagte in Brüssel: "Alle Alliierten und Partner müssen mehr tun". Er könne nach intensiven Gesprächen mit vielen Regierungen schon sagen: "2010 werden die Nicht-US-Mitglieder der Koalition 5000 weitere Soldaten schicken - und wahrscheinlich noch einige Tausend mehr". Aus US-Quellen war gesickert, dass Washington sich 10 000 weitere Soldaten wünscht.