Sali Berisha hat sich durchgesetzt. Am vergangenen Dienstag beantragte der albanische Regierungschef in Prag die Aufnahme zur Europäischen Union.

Brüssel

Das Schreiben war auf feinem Büttenpapier gedruckt. "Mein Land ist leidenschaftlich pro Europa. Ein Traum wird wahr", säuselte der Albaner. Das sehen nicht alle so. "Vor Albanien liegt noch ein langer Weg", beantwortete der Vorsitzende der 27 EU-Staaten, Tschechiens Ministerpräsident Mirek Topolanek die Avancen kühl. Die Zurückhaltung hatte ihren Grund: Mehrfach hatte die EU-Kommission Albanien gedrängt, das Beitrittsgesuch später zu stellen. Doch Berisha wollte seine Bewerbung unbedingt überreichen, wohl auch, um damit bei den Parlamentswahlen im Juni zu punkten.

Albanien steht nicht alleine. In wenigen Monaten werden auch Serbien und Bosnien-Herzegowina den Beitritt beantragen. Montenegro hat bereits im Dezember einen Aufnahmeantrag gestellt, Mazedonien ist schon seit Jahren Beitrittskandidat, und Kroatien soll laut Plan Anfang 2011 - möglicherweise zusammen mit Island - EU-Mitglied werden.

Nach der Mega-Erweiterung des Jahres 2004 rollt jetzt eine zweite große Welle auf die Union zu: Die Westbalkan-Staaten drängen mit Volldampf in die EU. Der Beitritt scheint ihnen wie ein Allheilmittel, grenzenlose Hoffnungen verbinden sich mit ihm: politische Stabilität, Milliarden-Hilfen, schöne Straßen, warmes Wasser in allen Haushalten und irgendwie Wohlstand für alle.

2003 hatten die EU-Regierungschefs den Ländern einen Beitritt versprochen - ohne eine Grundsatzdebatte darüber zu führen. Jetzt wollen die Politiker auf dem Westbalkan endlich Taten sehen. "Wir haben eine sehr schwere Verantwortung gegenüber dem westlichen Balkan übernommen", sagt EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn.

Er weiß, dass der Beitritt der Westbalkanländer dieses Mal nicht im Eiltempo von Technokraten in der Brüsseler Kommissionsbehörde durchgepaukt werden kann. Als die Europäische Union 2004 um zehn neue Länder, vor allem in Osteuropa, erweitert wurde, hatte das noch funktioniert. Aber die Zeiten haben sich geändert: Die EU-Staaten ächzen wegen der Wirtschaftskrise unter einem gigantischen Schuldenberg, das Geld für neue Mitglieder wird noch für Jahre sehr knapp sein. Außerdem steht die Bevölkerung in vielen EU-Staaten der Erweiterung mittlerweile äußerst kritisch gegenüber - auch in Deutschland. Da wiegt besonders schwer, dass der Westbalkan, mit Ausnahme Kroatiens, noch Lichtjahre davon entfernt ist, die Beitritts-Bedingungen zu erfüllen: Die meisten der Länder sind Armenhäuser.

In Albanien liegt das Pro-Kopf-Einkommen knapp über 200 Euro. Dem Beitrittskandidaten Mazedonien bescheinigte die Kommission, keine "funktionierende Marktwirtschaft" zu haben. Und in Bosnien-Herzegowina ist 15 Jahre nach dem Daytoner Friedensabkommen kein funktionsfähiger Staat in Sicht. Aber wird das am Ende eine Rolle spielen?

Brüsseler Diplomaten fürchten, dass vom Beitritt Kroatiens ein "Dominoeffekt" ausgehen könnte: Sie erwarten, dass der Ruf nach Mitgliedschaft aus den übrigen Ländern mittelfristig so stark wird, dass die EU nachgeben muss.

Momentan spielt Brüssel auf Zeit: Das Beitrittsgesuch Montenegros wandert unbearbeitet von Schreibtisch zu Schreibtisch, auch Mazedonien kommt seit Jahren nicht voran. Aber irgendwann können fehlende Perspektiven und enttäuschte Hoffnungen in den noch jungen und wirtschaftlich wenig stabilen Staaten auf dem Balkan zum Problem werden.