Die Wirtschaft am Kap stagniert, Preise und Kriminalität explodieren. Erfolgreiche emigrieren nach Europa.

Hamburg. Patrick Lucky Malinga ist des Raubes angeklagt. Der 25-Jährige soll vor der Absa-Bank in Nelspruit, einer Provinzhauptstadt östlich von Johannesburg, einer Frau die Handtasche mit 6000 Euro Ersparnissen entrissen haben. Gegenüber Polizeisergeant Michael Lusiba, der ihn festnahm, verlangte Malinga, sofort freigelassen zu werden, da er ja keinen Schwarzen, sondern nur eine reiche Weiße beraubt habe. Malinga vertrat damit dieselbe Ansicht wie der Südafrikaner Faraday Nkoane. Der Vorsitzende des "Uhuru Culture Clubs" hatte, sinnigerweise am Tag der Menschenrechte, bei einer Versammlung dazu aufgerufen, nicht mehr Schwarze zu überfallen und auszurauben. Sondern Weiße - das sei völlig richtig. Denn die hätten die Schwarzen schon seit 1652 beraubt. "Weiße auszurauben ist kein Verbrechen", postulierte Nkoane, "denn ihr nehmt euch nur zurück, was euch gehört."

Wie die britische Verleger-Website "Authors Online" schrieb, seien Parolen wie "Töte den Buren, töte den Farmer" bis heute auf Veranstaltungen des regierenden Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) sehr populär. Kernzeile eines Liedes, das mit dem umstrittenen ANC-Chef Jacob Zuma verbunden werde, laute: "Oh, bringt mir mein Maschinengewehr."

Gegen Zuma, der 2009 Südafrikas nächster Präsident werden könnte, soll im August ein Korruptionsprozess eröffnet werden. Der Chef der ANC-Jungsozialisten, Julius Malinga, drohte: "Wir sind bereit, zu den Waffen zu greifen und für Zuma zu töten." Südafrika, so meinte "Authors Online", habe sich unter dem ANC in einen "inakzeptablen Hort umgekehrter Apartheid" verwandelt."

Und "Spiegel Online" schrieb, Südafrika rutsche immer tiefer in die Krise, dem Land drohe ein "Exodus der Elite". Erfolgreiche Leute wie zum Beispiel Roger Williams, Finanzchef eines Chemiekonzerns, verlassen ihre Heimat. Sein Entschluss fiel, als seine zwölfjährige Tochter bei einer Straßenschießerei von einem Querschläger getötet wurde. Und der Bochumer Werkzeugmacher Gerhard J., seit den Sechzigerjahren am Kap ansässig, wohlhabender Chef eines florierenden Unternehmens, will nach Europa zurück, irgendwohin, "wo es sicher ist und ich weiß, dass mein investiertes Kapital mir auch morgen noch gehören wird."

Zu Armut, horrend steigenden Preisen, Korruption und ausufernder Gewalt - in den letzten zehn Jahren gab es fast 340 000 Fälle von Mord und Totschlag in Südafrika - kommt Rassismus zulasten von Weißen und Ausländern. Die fremdenfeindlichen Unruhen im Mai haben die Elite tief verunsichert. Dutzende der drei Millionen Simbabwer, die der Tyrannei des 84-jährigen Despoten Robert Mugabe über die Grenze entflohen, wurden von wütenden Mobs ermordet, die eine billige Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt in ihnen witterten. Inzwischen hat sich die Lage wieder beruhigt. Doch für viele weiße Geschäftsleute und Techniker, teilweise in Schlüsselpositionen, waren die Gewaltorgien ein Aufbruchsignal.

"Zwischen 1992 und 1994 hat Südafrika schon einmal einen ordentlichen Aderlass erlebt, und das scheint jetzt wieder loszugehen", sagt die Hamburger Afrika-Expertin Gaby Neujahr, die mehrere Jahre dort gelebt hat.

"Die Elite in Südafrika hat mehrere Probleme", sagt Neujahr, "zum Beispiel ist das dortige Ausbildungssystem zwar grundsätzlich gut, ist aber seit 1994 nach unten nivelliert worden. Deswegen haben viele Weiße ihre Kinder auf Schulen ins Ausland geschickt. Und denen haben sie gleich klargemacht: Deine Chancen, in diesem Land, Karriere zu machen, sind sehr gering. Weil du nämlich die falsche Hautfarbe hast." Gaby Neujahr erkennt eine "Umkehrung der Vorzeichen: Plötzlich ist es so, dass Weiße befürchten müssen, dass ihr Nachwuchs keine Chance mehr hat." Das habe dazu geführt, dass die Weißen seit 1994 ihre Kinder völlig anders sozialisiert hätten. "Sie haben ihnen gesagt: Such deine Chancen in Australien, Neuseeland oder England. Aber such sie gar nicht erst zu Hause."