Moskau spielt mit den militärischen Muskeln. Doch für eine Modernisierung fehlt das Geld. Trotzdem muss die Welt Russlands Ansprüche ernst nehmen.

Hamburg. Mehr als eineinhalb Jahrzehnte nach der Auflösung der Sowjetunion und des Warschauer Paktes deutet sich wieder eine militärische Rivalität zwischen Washington und Moskau an. Ein wirtschaftlich erstarktes Russland strebt danach, den verlorenen Supermacht-Status zurückzuerlangen.

Doch damals übertraf die Bevölkerungszahl der Sowjetunion die der USA bei Weitem, standen 50 000 Panzer unter dem Befehl des Kreml. Heute stehen 300 Millionen Amerikaner den rund 143 Millionen Russen gegenüber. Die Wirtschaftsleistung Russlands ist trotz beträchtlicher Gesundung unter Präsident Wladimir Putin immer noch kümmerlich im Vergleich zu der gewaltigen Kraft der Vereinigten Staaten. Russland unterhält zwar rund 1,2 Millionen Soldaten - etwa ebenso viele wie die USA -, doch ist eine weitere Reduzierung dringend nötig angesichts der verheerenden Finanzlücken. Nicht nur im Tschetschenien-Einsatz ist der Verkauf von Waffen seitens monatelang unbezahlter Soldaten nicht selten.

Russland hat traditionell eine äußerst leistungsfähige Wehrtechnik, legendär wurden Waffen wie die Panzer T-34 oder T-62, das Sturmgewehr Kalaschnikow oder die Suchoi- und MiG-Kampfflugzeuge. Auch heute muss davon ausgegangen werden, dass nicht nur russische Atomraketen wie die Topol-M grundsätzlich den Leistungsvergleich mit amerikanischen Gegenstücken aushalten, sondern auch manche der Panzer-, Hubschrauber- und Kampfflugzeug-Typen.

Bezeichnend ist jedoch, dass China den Russen anbot, die Entwicklung der neuen MiG-35 zu finanzieren, bei entsprechendem Technologie-Transfer, weil Moskau schlicht das Geld dazu fehlt. Ihren einzigen, nie richtig einsatzfähigen Flugzeugträger haben die Russen aus Geldmangel verkauft - an China. Die US-Navy unterhält dagegen elf feuerstarke Trägerkampfgruppen und zehn riesige Hubschrauberträger.

Im strategischen Vergleich liegen zwischen den beiden Staaten damit Welten. Bei den Atomwaffen sieht es anders aus: Über 16 000 Atomsprengköpfe soll Russland verfügen - mehr als die 10 000 der USA -, doch ein Großteil liegt eingemottet in Depots und ist nicht einsatzbereit. Zudem ist die Option eines Atomkrieges gegenwärtig nicht existent, der militärisch nutzbare Wert des Arsenals sehr gering.

Als eine Art "Obervolta mit Raketen" hat der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt die Sowjetunion einmal bezeichnet - eine Einschätzung, die zum Teil heute noch für Russland gilt.

Demonstrative Wehr-Protzerei wie mit der angeblich stärksten Vakuumbombe der Welt - westliche Experten äußerten starke Zweifel - und die Ankündigung einer "grandiosen" Aufrüstung bis 2015 - die erst einmal bezahlt werden muss - richten sich zuerst an die eigene Bevölkerung. Putin bemüht sich, den verwelkten russischen Nationalstolz aufzufrischen - und garniert seine Auftritte gern mit antiwestlichen Tiraden. Das kommt immer an.

Geschickt nutzt der Präsident den Wirtschaftsaufschwung und den Energie-Hebel, um sein Land auf Augenhöhe mit den Global Players zu hieven - der gegenwärtigen Supermacht USA und der künftigen: China.

Dabei kann sich Putin keine Hoffnung machen, die USA militärisch einzuholen; eine Modernisierung des russischen Arsenals dürfte jedoch immerhin den Status als Großmacht zementieren und Russland auf der internationalen Bühne eine kräftigere Statur verleihen.

Moskau wird künftig selbstbewusster, unabhängiger und unbequemer auftreten; eine gefährliche Konfrontation wie in Zeiten des Kalten Krieges ist damit nicht programmiert. Dazu ist Russland schon viel zu intensiv in das vom Westen dominierte globale Wirtschaftssystem verflochten.