Die Proteste der Nonnen und Mönche beunruhigen die Machthaber. Diese ziehen bereits ihre Truppen zusammen.

Hamburg/Rangun. Die stillen Märsche sind vorbei. Und der leise Singsang religiöser Verse ist massiven politischen Forderungen gewichen. "Wir marschieren für das Volk", rief ein buddhistischer Mönch bei einer Kundgebung in der größten birmanischen Stadt Rangun (Yangon) über ein Megafon. Andere Demonstranten trugen Plakate mit der Aufschrift: "Gerechtigkeit wird Ungerechtigkeit bezwingen". Und ganz Unerschrockene skandierten Parolen gegen die Militärjunta, die das bitterarme und international isolierte asiatische Land seit 45 Jahren knebelt. 130 000 Menschen haben sich der Revolte der Mönche gegen das Regime der Generale allein in Rangun angeschlossen. Fast ein Volksaufstand.

Auch in den Städten Mandalay, Pakokku und Sittwe gingen Tausende auf die Straße. Und das Regime schweigt. Dabei haben die betonköpfigen Generale bislang stets jeden noch so zaghaften Protest gnadenlos niedergeknüppelt. Seit dem Staatsstreich von 1962 regiert das Militär mit unfassbarer Härte. Studenten werden gefoltert, Oppositionelle "verschwinden" in Kerkern, viele müssen Zwangsarbeit unter unmenschlichen Bedingungen leisten. Angehörige ethnischer Minderheiten werden ermordet oder vertrieben, ihre Dörfer niedergebrannt. Mehr als eine halbe Million Menschen sind in Myanmar, wie die Generale Birma getauft haben, auf der Flucht. Auch die letzte große Demokratiebewegung wurde gnadenlos zerschlagen. Das war 1988, etwa 3000 Menschen kamen ums Leben. Wenig später wurde die charismatische Oppositionsführerin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi (62) in ihrem Haus in Rangun weggeschlossen. Offiziell heißt das bis heute "Hausarrest".

Doch welche "Geschütze" lassen sich gegen Gebete auffahren? Noch dazu in einem tief religiösen Land, in dem 90 Prozent der Menschen gläubige Buddhisten sind. In dem selbst höchste Generale Klöster mit großzügigen Spenden bedenken, um sich deren Wohlwollen zu sichern? Darüber hinaus verfügen die Mönche neben den Militärs selbst als einzige Gruppe landesweit über eine funktionierende Organisation. So schaut das brutale Regime dem friedlichen Protest, der in safranfarbenen Mönchsgewändern daherkommt, offenbar hilflos zu. Südostasiatische Diplomaten führen die ungewöhnliche Zurückhaltung auch auf den Druck Chinas zurück, wichtigster Verbündeter Birmas. Peking hat in der Uno zwar bislang jede Resolution gegen Birma verhindert, will aber vor den Olympischen Spielen im kommenden Jahr keinesfalls als Unterstützer einer der schlimmsten Diktaturen der Welt in Erscheinung treten.

Dennoch wird das bedrängte Regime in Birma zunehmend nervös. Diplomaten berichten von Anzeichen für einen geplanten Schlag gegen die Massendemonstrationen. Immer mehr Militärlastwagen mit Soldaten patrouillierten in Rangun, meldete die in Thailand erscheinende birmanische Zeitung "Irradwaddy". In der Innenstadt seien mehrere Schulen geschlossen worden. An der 100 Meter hohen Shwegadon-Pagode, dem größten Heiligtum des Landes, träfen Ärzte und Krankenschwestern ein, um notfalls schnell einsatzbereit zu sein. Wärenddessen rief der staatliche Religionsrat die Mönche zur Rückkehr in die Klöster auf. Vergeblich.

Die Protestwelle war durch eine Erhöhung der Benzin- und Gaspreise um 500 Prozent ausgelöst worden. Für viele Birmanen wurde selbst eine Busfahrt unerschwinglich, gleichzeitig stiegen die Lebensmittelpreise. Jetzt allerdings geht es um alles: um die Freilassung von Aung San Suu Kyi, Reformen, um Demokratie. Erklärtes Ziel der Mönche, der Oppositionellen und einfachen Bürger ist, die "teuflischen Soldatenkönige" zu Fall zu bringen. Den Segen des Auslandes haben sie dabei. US-Präsiden George W. Bush werde die "Brutalität" der Regierung am Rande der Uno-Vollversammlung in New York ansprechen, sagte seine Außenministerin Condoleezza Rice. "Das birmanische Volk hat etwas Besseres verdient: Es verdient das Recht, in Freiheit leben zu können, so wie jeder das tut." Das Auswärtige Amt äußerte "Sympathie" für die Demonstranten. Die Bundesregierung unterstütze jegliche friedliche Meinungsäußerung, sagte der Sprecher Martin Jäger. Die Machthaben dürften sie nicht unterbinden.