Thomas Frankenfeld über die Verantwortung einer Supermacht

Beim Vergleich von zivilisatorischen Standards gibt es recht wenig Anlass, die Vereinigten Staaten von Amerika in einem Atemzug mit dem Iran oder Saudi-Arabien zu nennen. Außer beim Thema Todesstrafe. Ähnlich wie diese beiden islamischen Despotien richten die USA jährlich Dutzende Menschen hin, mehr als 1000 waren es seit 1976. Nur die kommunistische Diktatur China bringt es auf noch mehr staatlich sanktionierte Tötungen, deren Dunkelziffer von mindestens 10000 Opfern pro Jahr spricht. Mit dieser juristischen Gewohnheit wäre den USA ein Beitritt zum Europarat versperrt.

Noch immer glauben viele Amerikaner an die Prinzipien der Abschreckung und Vergeltung durch Exekution. Das erste ist statistisch unhaltbar, das zweite moralisch höchst anfechtbar. Wenn es ein todeswürdiges Verbrechen ist, einen Menschen zu töten, wie ist es dann möglich, Gerechtigkeit durch die Tötung eines Menschen herbeizuführen?

Skandalöse Justizirrtümer haben in einigen US-Bundesstaaten bereits zur Abschaffung der Todesstrafe geführt. Doch in 37 Staaten ist sie noch zugelassen. Nun hat sich auch die Exekution per Giftinjektion als grausam erwiesen, und das verbietet die amerikanische Verfassung. Aussetzungen von Hinrichtungen wie in Florida und Kalifornien sind nur ein erster Schritt. Es wird höchste Zeit, dass sich die Supermacht USA ihrer Verantwortung bewusst wird, dass sie dem Beispiel von Staaten wie Serbien, Aserbaidschan oder Kambodscha folgt und das grausige Ritual endlich abschafft.

\* Bericht Seite 2