Während Kim Jong Il seinen Personenkult pflegt und die Armee aufrüstet, lebt sein Volk in bitterster Not − und jubelt ihm zu.

Seoul. Die Menschen in Nordkorea leiden bitterste Not und Hunger. Hunderttausende sind in den vergangenen zehn Jahren gestorben, weil sie nicht genug zu beißen hatten. Viele essen Gras, Laub und Wurzeln. Mehr als die Hälfte aller 23 Millionen Nordkoreaner, vor allem Kinder, sind chronisch unterernährt − und es droht eine neue Hungersnot.

Nordkoreas Machthaber Kim Jong Il hat sein Land an den Rand des wirtschaftlichen Ruins gebracht und von der Außenwelt isoliert. Zugleich befehligt er mit 1,5 Millionen Soldaten eine der zahlenmäßig größten Armeen auf dem Globus und hält mit seiner Atompolitik die Welt in Atem. Doch dämonisiert wird der 64- jährige kleine Mann mit der großen Brille nur im Ausland. In Nordkorea wird er als eine Art Halbgott, als "geliebter Führer" verehrt. Obwohl das Volk ständig durch den Staatsapparat drangsaliert wird.

Für Beobachter bleibt der Diktator, der Plateausohlen trägt und seine Haare toupiert, um größer zu wirken, eine rätselhafte und widerspruchsvolle Erscheinung. Verlässliche Informationen gibt es kaum. Während er außerhalb seines geschlossenen Machtbereichs als unberechenbare Größe gilt, charakterisierte ihn der frühere südkoreanische Präsident Kim Dae Jung als jemanden mit "gesundem Menschenverstand", der sehr wohl wisse, was in der Welt vorgeht.

Für die Bevölkerung ist Kim, der in den offiziellen Medien als Revolutionär und "Genie in Literatur, Kunst und Kriegskunst" gepriesen wird, allgegenwärtig. Es gibt allein 34 000 Kim-Statuen. Porträts von ihm und seinem Vater und "ewigen Präsidenten" Kim Il Sung, von dem er die Macht und auch den Personenkult übernommen hat, hängen fast in allen öffentlichen Gebäuden und Privatwohnungen. Sein Leben sollte in den Augen des Außenstehenden für die Nordkoreaner eigentlich vertraut sein. Doch sowohl das Privatleben und seine Beziehungen zu Frauen als auch das Leben seiner Kinder sind für die Medien in Pjöngjang tabu.

Nach mehr als einem Jahrzehnt an der Spitze des stalinistischen Staates im Norden der koreanischen Halbinsel wird auch über Kims Politik oftmals nur spekuliert. Dabei legt sich der Machthaber seit langem mit der Supermacht USA an. Nach der in Pjöngjang verbreiteten Lesart ist ein eigenes Atomwaffenarsenal die einzige Sicherheit dafür, dass die USA das Land nicht angreifen.

Das Meiste, was die Außenwelt über den im Schatten des "Übervaters" Kim Il Sung aufgestiegenen Machthabers weiß, stammt aus dem unerschöpflich scheinenden Propaganda-Arsenal Pjöngjangs. Die Abschottung des Landes förderte jedoch Spekulationen im Ausland und ein Negativbild des Staatschefs. In den westlichen Medien wurde Kim, der an einer Herzschwäche leiden soll, oft als Lebemann dargestellt, der gutes Essen, Autos und schöne Frauen liebt und dem Alkohol zugetan ist. Auch wurde Kim eine zwielichtige Rolle bei der Planung von Terroranschlägen gegen Südkorea nachgesagt. Pjöngjang tat dies stets als westliche Verleumdungspropaganda ab. Das US-Außenamt prangert vor allem Verstöße gegen die Menschenrechte an: Pjöngjang lasse Menschen ohne Verfahren aus politischen Gründen verschleppen, einsperren und hinrichten. In den Gefängnissen herrschten unerträgliche Zustände, es würde gefoltert und gemordet. Meinungs- und Redefreiheit seien weitgehend unbekannt. In Erinnerung bleibt aber auch ein historisches Treffen zwischen Kim Jong Il und Kim Dae Jung im Juni 2000 in Pjöngjang. Der Gipfel galt als wichtiger Schritt der Annäherung im geteilten Korea. Aber auch diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt.