MOSKAU. Der Mord an der prominenten russischen Journalistin Anna Politkowskaja hat die Öffentlichkeit in Russland tief erschüttert und international Bestürzung ausgelöst. Die USA zeigten sich schockiert über den Tod der preisgekrönten Reporterin, die in ihrem Wohnblock im Zentrum Moskaus von Unbekannten erschossen worden war. Regierungen und Menschenrechtsorganisationen verlangten von Russland eine rasche Aufklärung des Anschlags. Präsident Wladimir Putin schwieg zunächst zum Tod Politkowskajas, einer seiner schärfsten Kritikerinnen.

In Moskau legten Hunderte Trauernde Blumen nieder und zündeten Kerzen an. Die 48-Jährige hatte mehrfach Todesdrohungen erhalten und lebte zeitweilig unter Polizeischutz. 2004 hinderte sie eine rätselhafte Vergiftung an einer Berichterstattung über das Geiseldrama von Beslan. Die Polizei geht von einem Auftragsmord aus. Politkowskajas Leiche wurde im Aufzug ihres Wohnhauses entdeckt. Dreimal wurde auf sie geschossen, einmal in den Kopf. Die Polizei verglich den Mord mit einer Hinrichtung. Zwar wurde der Täter von einer Überwachungskamera gefilmt, doch die Polizei fahndete bislang vergeblich nach ihm.

Die unerschrockene Journalistin, Mutter von zwei erwachsenen Kindern, hatte immer wieder über die Gräueltaten in Tschetschenien, aber auch über Korruption in der russischen Armee berichtet - vor allem für die Zeitung "Nowaja Gaseta", einem der wenigen unabhängigen Blätter in Russland. Ein anderes Tatmotiv als ihre kritischen Texte könne er nicht erkennen, sagte der stellvertretende Chefredakteur der Zeitung, Witali Jaroschewski. Zuletzt habe die Reporterin an einer Geschichte über Folter in Tschetschenien gearbeitet. Der Artikel habe am heutigen Montag erscheinen sollen.

Besonders harsche Kritik hatte Politkowskaja stets an Putin geübt, der am Tag ihres Todes 54 Jahre alt wurde und morgen zu einem Besuch in Deutschland erwartet wird. "Ich mag ihn nicht wegen seines Zynismus, seines Rassismus und seiner Lügen", schrieb sie in ihrem Buch "Putins Russland", das nur im Ausland veröffentlicht wurde. Ex-Sowjetpräsident Michail Gorbatschow nannte den Mord einen Rückschlag für die demokratische Presse.

Die USA und Amnesty International forderten eine vollständige Aufklärung der Tat. In Deutschland zeigte sich Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee betroffen über den Mord. "Ich habe Frau Politkowskaja als eine außergewöhnlich couragierte Frau kennengelernt", sagte er.