Regierungsgegner demonstrieren für den gestürzten Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra. Armee kündigt den Einsatz “aller Mittel“ an. Bilder zu den Aussschreitungen in Thailand. - Bilder zu den Demonstrationen am Flughafen Bankok.

Hamburg. Bürgerkrieg? Militärputsch? Über Thailand liegt ein Hauch von Revolution. Am Morgen bleibt die Lage zunächst friedlich. Vor dem größten Ladenzentrum in Bangkok tanzen Demonstranten mit roten Fahnen auf zwei Schützenpanzern und fordern: "Demokratie." Die Menge fordert die Schlüssel für die Panzer, die Soldaten lehnen ab. Dann ziehen die Demonstranten weiter, und die Panzer fahren davon. An mehreren anderen Plätzen der Metropole eskaliert dagegen der erbitterte Kampf um die Macht im Königreich. Zwei Menschen werden getötet, mehr als 100 verletzt.

Stundenlang liefern sich Demonstranten, gekleidet in Hemden in revolutionärem Rot, Straßenschlachten mit Sicherheitskräften. Seit dem Mittag geht die Armee mit Warnschüssen, Tränengas und Wasserwerfern gegen die Anhänger des früheren Premierministers Thaksin Shinawatra vor, die sich nicht an das mit dem Notstand verhängte Versammlungsverbot halten. Ein Mensch, offenbar ein Anwohner, gerät bei einem Schusswechsel in einem Wohngebiet zwischen die Fronten. Der 54-Jährige stirbt wenig später in einem Krankenhaus. Auch ein 19-Jähriger kommt durch Schüsse ums Leben.

Hauptbrennpunkt der schweren Krawalle ist eine der wichtigsten Straßenkreuzungen der Stadt. Demonstranten blockieren die Din-Daeng-Kreuzung, kippen Benzin auf die Straße und drohen damit, die Innenstadt in Brand zu setzen. Anwohner werden von Ordnungskräften in Sicherheit gebracht, nachdem die "Rothemden" damit gedroht hatten, mit Gastank-Lastwagen den gesamten Stadtteil in die Luft zu jagen. Den Soldaten gelingt es am Ende, die Menge mit Wasserwerfern von der Kreuzung zu vertreiben.

Doch anschließend setzen die Randalierer mehrere Busse in Brand. Mit anderen gekaperten Bussen fahren sie in die Reihen der Soldaten. Diese schießen mit automatischen Gewehren auf die Fahrzeuge. Ein Gebäude des Bildungsministeriums wird von Molotowcocktails getroffen und geht in Flammen auf.

Etwa 4000 Oppositionelle verschanzen sich zur gleichen Zeit in der Nähe des Regierungsgebäudes, in dem Premier Abhisit Vejjajiva seinen Amtssitz hat. Soldaten befehlen per Lautsprecher, das Areal zu verlassen. Vergebens. Am Abend marschieren weitere militärische Truppen auf das Gebiet zu. Beobachter berichten, dass Schüsse zu hören seien.

Zuvor hatte Vejjajiva, der den Ausnahmezustand über Bangkok verhängte, einen Rücktritt abgelehnt und vor Gewalt gewarnt. "Manche Protestler wollen Chaos auf den Straßen herbeiführen. Die Regierung wird entschlossen gegen Provokateure vorgehen." Thailands Generalstabschef Songkitti Jaggabarata kündigte in einer Fernsehansprache an, die Armee werde "alle Mittel ergreifen, um das Chaos zu beenden". Sie wolle zwar vermeiden, Gewalt gegen Landsleute anzuwenden. "Aber wir behalten uns unser Recht auf Nutzung unserer Waffen zur Selbstverteidigung vor."

Am Vorabend hatten 40 000 Menschen in Bangkok den Rücktritt von Abhisit gefordert. Thaksin erklärte aus dem Exil heraus, jetzt sei die "goldene Zeit" des Aufstands gegen die Regierung. "Jetzt, da Panzer in den Straßen sind, ist es Zeit für das Volk, zu einer Revolution herauszukommen. Und wenn es nötig ist, werde ich ins Land zurückkehren." Thaksin hielt sich bisher zumeist in Dubai auf. Die Thaksin-Anhänger in den roten Hemden drohten damit, ihre Proteste auf das gesamte Land auszuweiten.

Am Sonnabend hatten die Demonstranten bereits den Abbruch des Asien-Gipfels im thailändischen Pattaya erzwungen. Mehr als 1000 Regierungsgegner stürmten das Konferenzzentrum des Badeortes. "Wir haben gewonnen", jubelten sie nach dem vorzeitigen Ende des Treffens, das von Freitag bis Sonntag dauern sollte. Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao und acht weitere Staats- und Regierungschefs, mussten in einer Notaktion mit Hubschraubern aus Pattaya ausgeflogen werden.

Die Thaksin-Anhänger verlangen den Rücktritt Abhisits, der ihrer Ansicht nach nicht legitim an die Macht kam. Die letzten Wahlen hatten Thaksin-Anhänger gewonnen, doch wurde die Regierungspartei im vergangenen Jahr nach massiven Protesten einer außerparlamentarischen Opposition, deren Anhänger in königstreuem Gelb auftreten, aufgelöst. Damals hatten Zehntausende Anhänger Abhisits unter anderem den Flughafen von Bangkok besetzt, um den Rücktritt des damaligen Regierungschefs Somchai Wongsawat, Thaksins Schwager, zu erzwingen. Hunderttausende Touristen saßen in Thailand fest. Abhisit fand Überläufer im Parlament und kam so ins Amt.