Am weitesten ging der türkische Justizminister Ali Sahin, als er sagte: “Für den globalen Terrorismus ist Israel der größte Provokateur. Solange...

Hamburg/Ankara. Am weitesten ging der türkische Justizminister Ali Sahin, als er sagte: "Für den globalen Terrorismus ist Israel der größte Provokateur. Solange Israels Provokationen weitergehen, ist ein Erfolg im Kampf gegen den Terror nicht möglich." Die Palästinenser kämpften seit Jahren um ein Leben in Freiheit in einem eigenen Land - aber Israel unterdrücke sie immer wieder mit Massakern, sagte Sahin. Und Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan warf Jerusalem vor, mit der fortgesetzten Abriegelung des Gazastreifens den Bruch der halbjährigen Waffenruhe durch die Hamas provoziert zu haben. Gott werde Israel dafür bestrafen, meinte Erdogan und forderte, die Uno solle die israelische Aggression verurteilen. Ankara hält seit Jahresbeginn einen nicht ständigen Sitz im Uno-Sicherheitsrat.

Die Türkei ist der einzige Militärpartner Israels im Nahen Osten und steht seit der israelischen Militäroperation "Gegossenes Blei" vor einer innenpolitischen Zerreißprobe. Hunderttausende Türken gingen am vergangenen Wochenende auf die Straßen - 100 000 sollen es allein in Istanbul gewesen sein - und protestierten vehement gegen Israel. Sie schwenkten palästinensische Fahnen und riefen: "Wir sind alle Palästinenser!" Die Stimmung ist gefährlich gegen Israel aufgeladen - was Erdogan auch als Chef der islamischen Regierungspartei AKP nicht ignorieren darf.

Zudem sieht Erdogan das Vertrauen zu Israel zerstört - weil dessen Premier Ehud Olmert zwar wenige Tage vor dem Militärschlag in Ankara zu Besuch war, aber die Türken anders als die Ägypter nicht vorgewarnt hat. Erdogan ist auch enttäuscht, weil die unter türkischer Vermittlung geführten israelisch-syrischen Friedensgespräche auf Eis liegen.

Israel und die Türkei kooperieren militärisch eng; israelische Piloten dürfen in Anatolien Flugmanöver abhalten, Israel rüstet zudem türkische Panzer und Kampfflugzeuge mit hochmoderner Elektronik nach. Gemeinsam bauen beide Staaten israelische Galil-Gewehre und Merkava-Panzer. Und die Türkei liefert Trinkwasser an Israel.

Ankara geriet unter innenpolitischen Druck, als Medien berichteten, kurz vor der israelischen Militäraktion sei noch ein Waffendeal über 167 Millionen Dollar unterzeichnet worden. Der türkische Verteidigungsminister Vecdi Gönül beeilte sich zu versichern, dass dieses Geschäft bereits vor Jahren vereinbart worden sei.

Doch schon vor zwei Jahren hatte sich gezeigt, wie empfindlich das Verhältnis zwischen dem jüdischen Staat und der mehrheitlich islamischen Türkei ist: Eine Hamas-Delegation war in Ankara empfangen worden. Zwar ließ sich Erdogan nicht blicken, wohl aber der damalige Außenminister Abdullah Gül - der heutige Staatspräsident. Israel protestierte heftig - und Erdogan bemühte sich um Deeskalation.

Dem türkischen Islam fehlt jener Fanatismus, der anderenorts Probleme bereitet. Deshalb empfiehlt sich die Türkei als Brücke zwischen Orient und Okzident, als Vermittler, wenn es um Probleme islamischer Staaten mit dem Rest der Welt geht. Erdogan sprach dieser Tage in Sachen Gaza in Syrien, Jordanien und Saudi-Arabien vor. Doch das israelische Vorgehen in Gaza berührt eine übergreifende islamische Solidarität - und Erdogan muss einmal mehr auf einem schmalen Grat zwischen Israel und der arabischen Welt wandeln.