80 Prozent der russischen Gaslieferungen für Westeuropa laufen über das Gebiet der Ukraine - Kiew garantiert die Versorgung.

Moskau/Kiew/Berlin. Eskalation im russisch-ukrainischen Gasstreit: Russland hat am Neujahrstag der Ukraine den Gashahn zugedreht, ließ aber das Gas für Westeuropa weiter strömen. Der Liefervertrag war am Donnerstag um 8 Uhr MEZ abgelaufen.

In Moskau streute die Regierung, man befürchte, dass Kiew nun für Europa bestimmtes Gas abzweigen könne. Der Sprecher des russischen Monopolisten Gazprom, Sergej Kuprianow, erklärte, der Durchfluss in den Leitungen nach Europa sei um 20 Millionen Kubikmeter auf 236 Millionen Kubikmeter täglich erhöht worden. Die 110 Millionen Kubikmeter für die Ukraine seien "auf null" heruntergefahren worden.

Die Ukraine sicherte indessen der Europäischen Union den reibungslosen Transit des Gases. 80 Prozent des Gases aus Russland läuft durch Pipelines über ukrainisches Territorium. Zwei Pipelines versorgen die Ukraine selber, drei weitere Deutschland, Tschechien, die Slowakei, Österreich, Polen, Umgarn und Rumänien.

Hintergrund des Streits zwischen Russland und der Ukraine ist vordergründig eine Auseinandersetzung um eine Festsetzung neuer Gaspreise und die Begleichung alter Schulden. Moskau fordert für einen neuen Liefervertrag 250 Dollar (177 Euro) pro 1000 Kubikmeter Gas. Die Ukraine, durch die weltweite Finanzkrise schwer in Mitleidenschaft gezogen, weigert sich, dies zu bezahlen, und will den Preis auf 201 Dollar drücken. Im vergangenen Jahr hatte Kiew noch 179,5 Dollar pro 1000 Kubikmeter gezahlt. Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin bezeichnete den Preis von 250 Dollar dagegen als "Angebot" und "humanitäre Hilfe" an das angeschlagene Brudervolk.

Zudem hat die Ukraine rund 2,1 Milliarden Dollar Schulden aus Gaslieferungen bei Russland. Die ukrainische Naftogas erklärte, man habe bereits 1,5 Milliarden Dollar an den Zwischenhändler RosUkrEnergo überwiesen. Gazprom-Chef Alexei Miller sagte dazu, das Geld sei noch nicht bei seinem Unternehmen angekommen. Zudem beharrte er auf der Zahlung von 600 Millionen Dollar Verzugsgebühren.

Die Krise schlägt indessen innenpolitische Wellen in Deutschland. Die Union forderte angesichts des russischen Lieferstopps für die Ukraine ein Umdenken in der Energiepolitik und eine Rückbesinnung auf die Atomenergie

Derweil warnten die deutschen Energieversorger vor Panikmache. Der Konflikt treffe nicht die deutschen Kunden - sie könnten sich auf die Lieferungen aus Russland weiter verlassen. Zudem seien die deutschen Speicher wohlgefüllt. Erst bei langfristigen, gravierenden Lieferkürzungen gebe es Probleme.

Die stellvertretende Fraktionschefin Katherina Reiche sagte im Online-Dienst des "Handelsblatts", der Gasstreit zeige, "dass der Weg der SPD zu mehr Abhängigkeit von russischem Gas auch für Deutschland gefährlich ist". Die deutschen Atomkraftwerke müssten daher weiterbetrieben werden. "Russland hat sich erneut als unsicherer Energielieferant erwiesen, der im Zweifel nicht davor zurückschreckt, seine Liefermacht politisch auszuspielen", sagte die CDU-Politikerin.

Der Grünen-Energiepolitiker Hans-Josef Fell forderte in Berlin eine "konsequente Biogas-Strategie", um auch in Zukunft eine sichere Gasversorgung und bezahlbare Gaspreise zu gewährleisten.