Die globale Finanzkrise, die in den USA ihren Anfang nahm und inzwischen die ganze Weltwirtschaft in eine tiefe Rezession reißt, war eine vorhersehbare Krise.

Was immer im Einzelnen in der Krise passiert, wo immer jetzt neue Probleme auftauchen, die eigentliche Ursache des Absturzes ist immer die Gleiche, und die ist leicht zu verstehen. Die Ursache lässt sich in zwei englische Worte fassen: Investment Banking.

Das normale Geschäft der Banken wird manchmal 3-6-3- Banking genannt: Man nimmt Geld für drei Prozent herein, leiht es für 6 Prozent aus und ist nachmittags um 3 Uhr regelmäßig auf dem Golfplatz. Das ist ein gutes Geschäft, aber ziemlich langweilig, und so richtig gewaltige Gewinne lassen sich damit nicht erzielen. Wer wie die Deutsche Bank 25 Prozent Rendite haben wollte, musste sich also etwas einfallen lassen. Wie wäre es, sagten sie sich, wenn wir nicht 3-6-3 machen, sondern mit dem Geld unserer Kunden und viel geliehenem Geld dazu statt auf den Golfplatz jeden Nachmittag ins Kasino gehen und so richtig zocken? Damit das aber weiterhin seriös aussah, nannten sie es natürlich nicht "zocken", sondern Investment Banking. Und damit durch ihr Verhalten nicht auffiel, was sie machten, gingen sie nicht regelmäßig ins Kasino, sondern zockten auf Märkten, wo man sich und anderen immerhin noch einreden konnte, dass es um ernsthafte wirtschaftliche Dinge geht, also auf dem Aktienmarkt, auf dem Markt für Häuser und Hypotheken, auf dem Markt für Rohstoffe wie ÖL und Weizen oder auf dem Markt für Währungen.

Zocken bleibt aber Zocken, egal, wo und womit man es tut. Immer ist es ein Nullsummenspiel, also ein Spiel, wo einer nur gewinnen kann, was ein anderer verliert. Alle zusammen können sich nur dann einreden, eine Zeit lang zu gewinnen, wenn der Preis, auf den sie alle setzen, steigt und steigt und steigt. In dieser Welt können aber bestimmte Preise wie die für Aktien, für Häuser oder Öl oder für eine Währung nicht für immer steigen. Irgendwann ist Schluss, weil jeder sieht, dass eine Aktie gemessen am Gewinn des Unternehmens überbewertet ist, die Menschen sich keine Häuser mehr leisten können, weniger Öl nachgefragt wird oder weil ein ganzes Land unter der Last einer zu hoch bewerteten Währung, die die eigenen Produkte auf dem Weltmarkt unverkäuflich macht, zusammenbricht.

Das ganze Kartenhaus bricht dann in sich zusammen, weil die Preise der Spekulationsobjekte sinken. Weil all die Investment-Banker-Zocker nicht nur mit eigenem Geld gezockt haben, sondern hohe Kredite dafür aufgenommen haben, können sie diese Kredite nicht mehr zurückzahlen und den Banken, die ihnen Geld geliehen haben, droht die Pleite auch dann, wenn sie selbst gar kein Investment Banking betrieben haben. Dann muss der Staat kommen und die Banken retten, weil sonst das ganze Finanzsystem kollabieren könnte.

Nach diesem Schock wird aus dem Nullsummen- sogar ein Negativsummenspiel, bei dem alle verlieren. Und um genau diesen Punkt muss es jetzt bei der Diskussion, wie der Bankensektor zu retten ist, gehen. Wenn wir die für die Marktwirtschaft unabdingbare Finanzwirtschaft mit Steuergeldern am Leben erhalten, muss gleichzeitig das Gift, das diese zerstört hat, beseitigt werden. Wie man das im Einzelnen macht - ob mit dem direkten Kauf von Bankanteilen durch den Staat, einer kompletten Verstaatlichung des Sektors oder mit einer großen oder mehreren kleinen Bad Banks - ist nicht die wichtigste Frage. Entscheidend ist, dass die Frage, was Banken dürfen und was nicht, vor allen anderen gelöst werden muss. Staatliche Banken kann man auf viele Weise daran hindern, Unfug zu machen. Es geht aber nicht an, dass die privaten Banken vom Staat entlastet werden und sofort wieder auf ihre alte Spielwiese Investment Banking zurückkehren.

Wichtig ist also zu klären, welche Art von Geschäften für Banken zulässig ist. Und da das Bankengeschäft international abläuft, muss dies international koordiniert geschehen. Wenn keine rasche Einigung auf konkrete und strenge Bankenregeln möglich ist, muss der Sektor eben verstaatlicht werden, bis man auf internationaler Ebene den richtigen institutionellen Rahmen gezimmert hat.

Das Argument, der Staat sei nicht der bessere Banker, wie man an den Landesbanken studieren könne, ist Unsinn. Wer die schlechtesten Banker sind, weiß man jetzt. Die zu unterbieten wird auch einem durchschnittlich begabten Beamten schwerfallen. Zentral ist aber, dass der Staat jetzt Regeln aufstellt, die alle Banker dazu zwingt, sich wie Banker und nicht wie Zocker zu verhalten.


Der Wirtschaftswissenschaftler Heiner Flassbeck ist Chef-Volkswirt bei der Uno-Organisation für Welthandel und Entwicklung (UNCTAD).