Kriegsziel: George Bush will im Irak eine Demokratie errichten. Doch wer soll das ethnisch zersplitterte Land einen?

Hamburg. US-Präsident George W. Bush ist entschlossen, den irakischen Diktator Saddam Hussein zu beseitigen. Aber wer übernimmt danach das Ruder in Bagdad? In dieser Frage herrscht weitaus weniger Klarheit. Denn eine Integrationsfigur wie der afghanische Präsident Hamid Karsai ist nicht in Sicht. Unstrittig ist allein, was direkt nach dem Einmarsch geschieht: Eine amerikanische Militärverwaltung wird das erste Chaos bewältigen. Wie jedoch der angestrebte Übergang zur Demokratie aussehen soll, ist noch offen. Exil-Oppositionelle etwa vom irakischen Nationalkongress (INC) sollen an der Regierung beteiligt werden. Das hat die US-Regierung Saddams Gegnern versprochen. Welcher Oppositionspolitiker jedoch das Format hat, das religiös und ethnisch zersplitterte Land zusammenzuhalten - darüber herrscht Ratlosigkeit. Hans-Joachim Gießmann vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik warnt davor, die Schlagkraft der Opposition zu überschätzen. "Alles, was die rund 100 Oppositions-Gruppen eint, ist ihr Hass auf Saddam", sagt Gießmann. Ansonsten sind die Exil-Politiker großteils zerstritten. Gießmann: "Einige wollen einen religiösen Staat nach den Gesetzen der Scharia, andere einen säkularen Nationalstaat errichten." Von den USA hoch gehandelt wird der INC-Chef Ahmed Chalabi. Er und Ex-Außenminister Adnan Paschaschi gehören zu dem sechsköpfigen Führungsgremium, auf das sich die irakische Opposition Anfang des Monats geeinigt hat. Als Sunnit könnte Paschaschi bei den von Sunniten regierten Nachbarn Iraks auf Unterstützung hoffen. Von der schiitischen Mehrheit im Irak dürfte er aber abgelehnt werden. Auch der säkulare Schiit Chalabi ist im Irak nicht unumstritten: Er gilt vielen als "Agent Washingtons". Doch nicht nur die personelle Frage ist ungeklärt. Strittig ist auch, ob die von den Amerikanern angestrebte Demokratie von den Irakern angenommen wird. "Keine Besatzerarmeen, sondern Verfassungen und Parlamente" würden die USA hinterlassen, versprach Bush. Experten jedoch zweifeln an der Durchsetzbarkeit dieses Ansinnens. Als "aberwitzig" bezeichnet Nahost-Kenner Peter Scholl-Latour die Idee, im Irak eine US-Militärregierung wie 1945 in Deutschland zu errichten. Und Gießmann nennt das Ziel, im Irak eine Demokratie zu errichten, schlicht "blauäugig". "Für Europa waren die Amerikaner die Befreier", so sein Einwand. "Im Irak ist das anders." Die Demokratie sei dort fremd. "Sie ist als Staatsform zu schwach, um das Chaos unter Kontrolle zu bringen." Und noch ein Problem sieht Gießmann auf den Irak zukommen: Ein möglicher Zerfall in seine ethnischen Einzelteile. Deshalb plädiert er für eine starke Zentralregierung. Die Amerikaner jedoch haben den Kurden bereits den Föderalismus in Aussicht gestellt. Eine Zusage, die einen Konflikt mit dem türkischen Nachbarn ankündigt. Denn: Ein autonomes kurdisches Bundesland in einem föderativen Irak ist für die Türken ein Albtraum. Sie sehen darin Ansätze zu einem Kurdenstaat. Auf die USA kommt mit dem Wiederaufbau des Irak eine große Aufgabe zu. Vize-Verteidigungsminister Paul Wolfowitz hat diese bereits umrissen. "Der größere Krieg, vor dem wir stehen, ist der Krieg der Ideen, ein Kampf um Modernität und Säkularismus, Pluralismus und Demokratie und echte wirtschaftliche Entwicklung", so die Worte des Amerikaners. Fraglich ist, ob auch dieser Krieg zu gewinnen ist. Für Gießmann ist bereits heute klar: "Die Amerikaner werden länger im Irak zu tun haben, als sie heute annehmen."