Irak-Krise: Henning Voscherau antwortet Arbeitgeberchef Dieter Hundt: Warum ich gegen einen Angriffskrieg bin.

Hamburg. Dieter Hundt hört die Signale, wenn (ausgerechnet) die "Süddeutsche" zur Hatz auf "Künstler und Intellektuelle" bläst. "Ein verfehlter Friedensaufruf" als "Wolf im Schafspelz des alten linken Antiamerikanismus", dem er seine "Hand nicht reichen" werde. In welche Gesellschaft habe ich mich da verirrt - einer der nie antiamerikanisch, nie für den Austritt aus der NATO, nie für die Abschaffung der Bundeswehr war, einer aus dem Häuflein der 14, die unter mancherlei Anfeindungen bis zum Schluss für den Doppelbeschluss stimmten - Arm in Arm mit Schmidt, Wischnewski, Apel, Leber und einer Handvoll anderer. Also eilends Abbitte leisten, dass ich mit zu Frieden und Einhaltung von Verfassung und Völkerrecht aufgerufen habe. Zu Diensten, Herr Hundt. "Dass ein Krieg niemals gut ist, bleibt richtig", schreibt er. Ich bekenne Übereinstimmung mit dieser Aussage. Dass die Völkerfamilie alles versuchen müsse, den Konflikt mit nichtmilitärischen Mitteln friedlich beizulegen, schreibt er. Wahr, wahr, wahr, aber dürfen wir Worte und Taten unserer amerikanischen Freunde unter diesen Satz zu subsumieren suchen? "The game is over", Truppenaufmarsch. Steht das Ergebnis nicht fest, UNO-Inspektoren hin oder her, Resolution oder nicht? Über die terroristische Chemiefabrik im Nordirak jedenfalls, die die USA gerade dem Weltsicherheitsrat präsentiert haben, sollte die BDA ihrem Präsidenten vielleicht die Reportage des "Observer" vom 9. Februar beschaffen. Auch das "schöne Dokument" ihres Geheimdienstes musste die britische Regierung inzwischen zurückziehen. Der Westen sieht sich als Wertegemeinschaft der Demokratien. Verträgt die Entscheidung zwischen Krieg und Frieden Propaganda und Manipulation der öffentlichen Meinung? Darüber, auch durch Aufrufe und Demonstrationen, muss innerhalb der Wertegemeinschaft diskutiert werden - untereinander, nicht mit dem irakischen Diktator. Im selben Atemzug erklärt Hundt: "Den wirklichen Friedensbrechern müssen sich die demokratischen Staaten entgegenstellen, um den Frieden zu sichern." Wer entscheidet über die "wirklichen" Friedensbrecher - plötzlich doch nicht die "Völkerfamilie"? Nicht die Vereinten Nationen, sondern die Vereinigten Staaten, unterstützt durch das neue Europa gegen Kuba, Libyen und Deutschland? Nein, Herr Hundt, so schlicht liegen die Dinge nicht, wie Donald Rumsfeld und Sie uns weismachen möchten. Man kann ein Freund des amerikanischen Volkes sein und mit Fritz Stern (einem Intellektuellen), mit Helmut Schmidt (stark Künstler-verdächtig als Lichtwark-Schüler und Hobby-Pianist) den neuen Unilateralismus kritisieren, den Präsident Bush in das Weiße Haus eingebracht hat. Die Amerikaner selbst tun das übrigens zunehmend auch. Denn sie sind eine stabile Demokratie und wissen (anders als offenbar Hundt), das gehört dazu. "Wirkliche" Freundschaft besteht unabhängig von Präsidenten und Kanzlern, ihren Wegen und Irrwegen. Man kann gegen Diktatoren sein (davon gibt es in der Völkerfamilie leider mehr als einen) und doch auf der Einhaltung der UNO-Charta beharren. Der Starke ist am mächtigsten allein, heißt es. Aber hat diese Erfahrung eher mit dem Völkerrecht zu tun oder mit dem Recht des Stärkeren? Bewusst oder nicht - im Ergebnis legitimiert Hundt die Wiederbelebung des Rechts des Stärkeren. Das genau war, was die völkerrechtliche Ächtung des Angriffskrieges ohne UNO-Mandat als Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg ein für alle Mal verbieten wollte. Wohin es auf Dauer führt, wenn dieses starre Verbot aufgeweicht wird, wie schon im Falle Jugoslawiens und nun vielleicht erneut, kann nicht im Zweifel stehen. Einen "Präsidenten ohne Weitsicht" nannte Nelson Mandela den US-Präsidenten in seiner kürzlichen Botschaft. Die Afro-Amerikaner in den USA werden sie gehört haben. Sicher wäre es für jeden Deutschen heute unklug, sich dieser Beurteilung öffentlich anzuschließen. Aber Dieter Hundt als einen Präsidenten ohne Weitsicht zu bezeichnen, so viel Meinungsfreiheit darf sein. Seine Schelte atmet "Right or wrong - America." Hurra! 1939 haben wir Deutsche den Zweiten Weltkrieg begonnen. Das Grundgesetz stellt deshalb schon die Vorbereitung eines Angriffskriegs unter Strafe: von Verfassungs wegen ein deutscher Sonderweg. In seiner Trauerrede auf Dieter Lutz hat der frühere Bundesminister Egon Bahr als "Feigheit und Heuchelei" bezeichnet, dass unser Land zu diesem Sonderweg seiner Verfassung nicht gestanden hat. Der Vorwurf galt Berlin. Muss ihn sich nun auch der BDA-Präsident zuziehen? Als Folge des deutschen Angriffs starben vor 60 Jahren in Hamburg 40 000 Menschen innerhalb weniger Nächte in Bombenhagel und Feuersturm. Ich weiß nicht, wo Dieter Hundt damals war. Ich war in Hamburg. Die Geräusche von Alarm, Bombenangriffen, Detonationen und schließlich Entwarnung, die Gefühle schweigender Anspannung und Angst im Luftschutzkeller sind meine frühesten Erinnerungen. Bombenkrieg tötet stets zivile Unschuldige, Frauen und Kinder, trifft immer das Volk, kaum je den Diktator. Dem Widerstand gegen Hitler haben die Bomben nicht geholfen, im Gegenteil. Gerade Arbeiterfamilien in den roten Wohnquartieren des Widerstands wurden ausgelöscht. Das wird sich in Bagdad wiederholen. Denn Opposition gegen Saddam gibt es im Irak zahlreich. Durch unschuldige zivile Opfer und neues Leid wird der Hass in allen islamischen Gesellschaften auf den Westen tiefer. Ist es das, was wir wollen? Die Völkergemeinschaft hat das Recht, gegen die Verletzung der UNO-Charta mit geeigneten Sanktionen vorzugehen, auch militärischen. Darüber dürfen die Vereinten Nationen entscheiden, sonst niemand. Die Entscheidung aber über Teilnahme oder Nichtteilnahme kann keinem UNO-Mitgliedsstaat aus der Hand genommen werden. Beides muss so bleiben.