Kommentar

Die Lage ist desaströs. Ehe überhaupt ein einziger Schuss gegen das Wüstenland des Bösen gefallen ist, drohen die Schäden im politischen Vorfeld eines militärischen Schlages gegen den Irak noch größer und irreparabel zu werden. Der Westen hat in jahrzehntelanger Standhaftigkeit dem sowjetischen Imperium die Luft zum Überleben nehmen können und der Welt den Weg zu einer neuen Vernunft gezeigt. Wenn das Gegenteil von Vernunft Wahnsinn ist, dann hat seit gestern das politische Handeln Züge des Wahnsinns angenommen. Drohte erst das deutsch/französische Nein/Non zur amerikanischen Entschlossenheit gegenüber dem Irak die atlantische Gemeinschaft zu sprengen, so geht der Spaltungsprozess jetzt sogar quer durch Europa. Unter den acht Nationen, die mit einer einzigartigen Erklärung ins amerikanische Boot steigen, sind auch solche, für die sich gerade Deutschland so stark gemacht hat, der Union beizutreten: die einstigen Ost-Untertanen Polen, Ungarn und Tschechien. Es muss keiner dabei sein im Palast von Bagdad, um zu belegen, wie sich der grinsende Tyrann Saddam die Hände reibt. Dieser Mann, der außer Ölquellen nichts hat, um das Weltgefüge zu beeinflussen, der in der globalen Achtung am Skalen-Ende steht, hat mit seinem Verhalten dazu beigetragen, das Bündnissystem auseinander zu treiben. In der komplizierten politischen Strategie zur Bewahrung des Friedens fällt es momentan schwer, Nerven zu behalten und den Zorn gegen Outlaws wie dem Iraker zu bändigen. Das gilt auch für das übermächtige Amerika, das seine Überlegenheit nicht beweisen muss. Es sollte sich seiner alten moralischen Größe besinnen und den Vereinten Nationen das Recht geben, die einzige Legitimitätsinstanz für militärisch vorbeugende Maßnahmen zu sein. Wie wird es in diesen Stunden dem deutschen Bundeskanzler gehen, dem Erfinder des präventiven Neins? Wird er sich danach fragen, was er womöglich angerichtet hat?