Der Papst hielt eine Rede vor Tausenden Pilgern auf dem Petersplatz. Er bekundete zu seinen engsten Mitarbeitern vollstes Vertrauen.

Vatikanstadt. Erstmals hat sich nun auch Papst Benedikt XVI. selbst und direkt zur Veröffentlichung geheimer Vatikandokumente geäußert. Medienberichte seien teils überzogen und stellten ein völlig falsches Bild vom Vatikan dar, sagte der Papst sichtlich bewegt am Mittwoch vor mehreren zehntausend Pilgern auf dem Petersplatz. In seinem Herzen sei er tief betroffen. Zugleich bekundete er seinen engsten Mitarbeitern vollstes Vertrauen.

Eine Woche nach der Verhaftung seines Kammerdieners Paolo Gabriele wendet sich der Papst damit gegen Spekulationen, an der Spitze der Kurie herrschten Misstrauen und Machtkämpfe. Tags zuvor war bereits sein Innenminister Erzbischof Angelo Becciu in die Offensive gegangen. In einem Interview auf der Titelseite des „Osservatore Romano“ verteidigte er den Vatikan gegen ein seiner Meinung nach entstelltes und verkehrtes Image in den Medien.

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Auf den vermuteten Geheimnisverrat seines Kammerherren, in dessen Wohnung die Gendarmerie vertrauliche Dokumente gefunden hatte, ging Benedikt XVI. freilich nicht näher ein. Ebenso äußerte er sich nicht zu Details der Enthüllungswelle, mit der seit Jahresbeginn zahlreiche vertrauliche Papiere aus seiner Wohnung in die Medien und zuletzt in ein Buch gelangten.

Unterdessen bereitet sich die Vatikan-Justiz auf ihren bislang wohl spektakulärsten Fall vor. In den nächsten Tagen beginnt vor dem Gericht des Kleinstaates die offizielle Vernehmung des Kammerdieners. Nach den Vorermittlungen durch Vatikan-Staatsanwalt Nicola Picardi wird Untersuchungsrichter Piero Antonio Bonnet die Untersuchungen führen.

Der Vatikanstaat verfüge über ein voll ausgebautes Justizsystem, das einen solchen Prozess allein und souverän durchführen könne, versichern Rechtsexperten in Rom. Allerdings stehe es ihm frei, jederzeit auch italienische Behörden um Unterstützung zu bitten. Vatikan-Richter Bonnet sei ein bekannter Rechtswissenschaftler. Ebenfalls zählt der Präsident des Tribunals der Ersten Instanz, Giuseppe Dalla Torre del Tempio di Sanguinetto, zu den großen Juristen des Landes.

Auch die Rechtsquellen sind klar. Mit Gesetz 71 über die „Quellen des Rechts“ vom 1. Oktober 2008 hatte Benedikt XVI. den Rechtsrahmen für den Vatikanstaat vorgegeben. Das Strafrecht, so Artikel 7, solle dem Strafrechtskodex Italiens in der Fassung vom Juni 1929 (dem Jahr der Lateranverträge) folgen – soweit es nicht anderen Vorgaben (etwa aus dem Kirchenrecht) entgegenstehe oder durch neue Entscheidungen überholt sei. Haftstrafen könnten durch alternative Sanktionen ersetzt werden, die der „erzieherischen Funktion der Strafe“ stärker Rechnung trügen. Möglicherweise leiten sich hieraus Spekulationen ab, Benedikt XVI. könnte, nachdem alle Umstände des Geheimnisverrats geklärt seien, seinen Kammerdiener begnadigen.

Diese Hintergründe, Motive und Zusammenhänge muss Bonnet in den nächsten Wochen zu ergründen versuchen. Aus dem Fortgang dieser Ermittlung dürften sich Ausmaß und Dauer des Verfahrens ergeben. Derzeit wird gegen Gabriele nur wegen schweren Diebstahls ermittelt. Nach der Beweissichtung wird der Richter Zeugen befragen, darunter sicher die beiden Papstsekretäre Georg Gänswein und Alfred Xuereb sowie die vier Hausdamen der Gemeinschaft „Memores Domini“. Zudem werden vermutlich Vertreter des Staatssekretariats und der Präfektur um ihre Aussage gebeten.

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Die Verfahrensdauer hängt wesentlich von der Kooperationsbereitschaft Gabrieles ab, der seinen alten Freund Carlo Fusco von der Folkolar-Bewegung und Cristiana Arru zu seinen Anwälten bestimmt hat. Vor allem aber wird sie bestimmt von möglichen Weiterungen – etwa ob Gabriele mögliche Hintermänner, Auftraggeber oder Mittelsmänner benennt. Sollte er ein voll geständiger Einzeltäter sein, könnte das Verfahren in wenigen Wochen beendet sein, meinte ein Jurist.

Da es jedoch als unwahrscheinlich gilt, dass der Kammerherr die Tat allein durchgeführt hat oder das Hirn der Aktion war, dürften sich die Ermittlungen hinziehen. Am Ende steht die Frage, ob der oder die Täter später in einem (italienischen) Gefängnis sitzen werden oder in vatikanischem Hausarrest – ober ob der Papst sie begnadigt. Oberstes Ziel Benedikts XVI. ist es offenbar, Klarheit in den Skandal zu bringen. Dass sein Innenminister und er selbst sich öffentlich zu Wort melden, spricht dafür, dass der Fall transparent behandelt wird. (KNA)