Der Finanzminister hält einen stärkeren Europakurs als Antwort für nötig. Innenminister Friedrich aber warnt vor europäischem Zentralismus.

Berlin. Uneinigkeit in der schwarz-gelben Regierungskoalition über den Kurs in der Europapolitik und die Konsequenzen aus der Euro-Krise. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) schrieb in einem Beitrag für die „Welt am Sonntag“: „Die Antwort auf die Krise kann nur ein Mehr an Europa bedeuten. ... Ohne unsere Einbettung in die Europäische Union wäre die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands unendlich schwieriger geworden – wenn nicht unmöglich“, argumentierte er mit Blick auf den Tag der Deutschen Einheit.

Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sieht das ganz anders. Dem Magazin „Der Spiegel“ sagte er in einem am Sonnabend verbreiteten Gespräch: „Wer aus der Schuldenkrise den Schluss zieht, dass der europäische Zentralismus jetzt noch verstärkt werden muss, macht sich auf den völlig falschen Weg.“ Der wachsenden Euro-Skepsis könne man „nicht dadurch begegnen, dass die durch das Volk gewählten nationalen Parlamente und Regierungen noch weiter entmachtet werden“. Der CSU-Abgeordnete Georg Nüßlein sagte dem Magazin: „Wenn es Schäuble darum geht, seine europapolitischen Träume in der Krise zu verwirklichen, wird er seinem Job nicht mehr gerecht.“

Schäuble hielt dem entgegen: „Ohne begrenzte, aber zielgerichtete weitere Schritte im Sinne einer Vertiefung der europäischen Institutionen werden wir auf Dauer unsere europäische Handlungsfähigkeit verlieren.“ Am Ende dieses Prozesses werde die politische Union stehen. In der Diskussion ist angesichts der Schuldenkrise in Europa unter anderem eine engere Verzahnung der Wirtschafts- und Finanzpolitik der Euro-Staaten.

In diese Richtung argumentieren auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy. Auch SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier plädierte in der „Rheinischen Post“ für eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik. „Dies wird dauerhaft nicht ohne eine Änderung der Verträge gehen.“ Wie dies aber genau ausgestaltet werden könnte, ist offen. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sieht hier eine Chance, Brüssel zu stärken.

Nach der Zustimmung des Bundestages zur Ausweitung des Euro-Rettungsschirms (EFSF) schloss Schäuble darüber hinausgehende deutsche Finanzhilfen für schwache Euro-Staaten erneut aus. „Auf Deutschland entfallen 211 Milliarden. Und das war es. Schluss. Bis auf die Zinsen, die kämen noch obendrauf“, sagte er der Zeitschrift „Super Illu“. Beim Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), „der den EFSF spätestens 2013 ersetzen wird, werden es insgesamt sogar nur 190 Milliarden sein ... inklusive aller Zinsen“.

Steinmeier schlug vor, eine europäische Treuhandanstalt zur Privatisierung des griechischen Staatsvermögens einzurichten. Athen könne dieses zur Zeit nur „zu Ramschpreisen verkaufen“. Eine europäische Treuhand könne griechisches Staatsvermögen jedoch innerhalb von 10 bis 15 Jahren privatisieren.

Wie Merkel und Schäuble forderte auch Außenminister Guido Westerwelle (FDP) die Möglichkeit, direkt in die Haushaltsplanung von Krisenländern eingreifen zu können. „Staaten, die in Zukunft die Solidarität des Rettungsschirms in Anspruch nehmen wollen, müssen in dieser Zeit der europäischen Ebene verbindliche Durchgriffsrechte in ihre Haushaltsentscheidungen einräumen“, schrieb Westerwelle in der „Süddeutschen Zeitung“. Ähnlich äußerte sich Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) wenige Tage vor seiner Reise nach Athen in der „Mitteldeutschen Zeitung“. Auch Steinmeier befürwortete solche Eingriffsrechte.

Nach einer Emnid-Umfrage im Auftrag von „Bild am Sonntag“ hält mehr als die Hälfte der Deutschen die beschlossene Aufstockung des Rettungsschirms auf insgesamt 440 Milliarden Euro für falsch. DGB-Chef Michael Sommer warnte nach der Erweiterung im SWR vor neuen Milliardenbelastungen. Der rheinland-pfälzische Finanzminister Carsten Kühl (SPD) hielt eine weitere Aufstockung des Rettungsschirms in einem dpa-Gespräch nicht für ausgeschlossen.

Der Vorsitzende der CSU-Mittelstandsunion, Hans Michelbach, forderte die EU-Kommission auf, gegen hochriskante ungedeckte Leerverkäufe ein europaweites Verbot zu verhängen. Den Vorschlag der Brüsseler Kommission für eine Finanztransaktionssteuer kritisierte er als „unzureichend“. SPD-Chef Sigmar Gabriel dringt auf eine rasche Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Er sagte den „Ruhr Nachrichten“, die Gläubigerbanken müssten endlich einen Beitrag zur Stabilisierung Griechenlands leisten.