Der Streit um die Finanzhilfen geht weiter. CDU-Ministerprädident verteidigt Angela Merkel gegen Kritik von Helmut Kohl und anderen.

Berlin. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) versucht, den Streit über die Mitwirkungsrechte des Parlaments bei künftigen Hilfen aus dem reformierten Euro-Rettungsschirm EFSF zu entschärfen. Es gehe nicht darum, dass der Deutsche Bundestag an jeder Einzelentscheidung beteiligt werde, sagte Lammert dem Deutschlandfunk. Andererseits könne sich das Parlament aber auch nicht damit begnügen, sich mit einer einmal ausgesprochenen „Generalermächtigung“ für Hilfen aus allen künftigen Entscheidungen herauszuhalten. „Man wird hier einen sinnvollen Mittelweg finden müssen“, sagte der CDU-Politiker. „Ich gehe davon aus, dass der Deutsche Bundestag ... an jeder neuen Hilfszusage für ein Land wird mitwirken müssen.“

Lammert warnte vor Übertreibungen in der Debatte über die Mitwirkungsrechte des Parlaments. Unverzichtbar sei für ihn aber, dass der Bundestag bei jeder neuen Hilfszusage gefragt werden müsse. Die Umsetzung der im Rahmen von Hilfszusagen vereinbarten Maßnahmen sei dann eine Sache, die der EFSF in eigener Zuständigkeit überwachen sollte. Über Grundsatzfragen müsse der Bundestag als Ganzes mitentscheiden. Bei Routinefragen könnte auch der Haushaltsausschuss ausreichen.

In der Koalition mehren sich dennoch die Forderungen nach stärkerer Beteiligung des Bundestages an weiteren Euro-Hilfen. FDP-Generalsekretär Christian Lindner sagte der „Passauer Neuen Presse“: „Wenn durch die Stabilisierung unserer Währung der Bundeshaushalt betroffen ist, ist die Mitwirkung des Bundestages rechtlich wie politisch zwingend.“ Die FDP werde Automatismen fernab des Bundestages nicht zulassen. Wer für die öffentliche Akzeptanz der Maßnahmen zur Bekämpfung der Schuldenkrise sorgen wolle, dürfe keine Beschneidung der Mitwirkungsrechte des Parlaments dulden.

Der haushaltspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Norbert Barthle (CDU), forderte eine Änderung des Gesetzes über den Euro-Stabilisierungsmechanismus. Gegenwärtig habe der Bundestag in dieser Frage wenig zu sagen, kritisierte Barthle. Die Regierung habe praktisch nahezu uneingeschränkte Handlungsfreiheit. Barthle forderte, künftig solle das Parlament über größere Beträge oder Rettungsmaßnahmen für ein neues Land abstimmen. Damit würden die einzelnen Euro-Rettungsschritte viel stärker vom Willen der Abgeordneten abhängig.

Die Euro-Rettung ist auch Streitpunkt zwischen Altvorderen der Union wie Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl und der amtierenden Kanzlerin Angela Merkel (beide CDU). Dabei bekommt Merkel Schützenhilfe aus den Ländern. Sachsen-Anhalts neuer Ministerpräsident Rainer Haseloff (CDU), sieht Merkel auch wegen ihres speziellen Führungsstils erfolgreich an der Macht. Gegenüber der „Leipziger Volkszeitung“ meinte Haseloff (er ist studierter DDR-Physiker wie Merkel), dass die Bundeskanzlerin „in sich ruhend, stabil und mit einem dicken Fell ausgestattet“ sei. Das habe bestimmt auch seine Ursache in den Studienzeiten, da bei den Physikern auf 100 Jungs höchstens ein Dutzend Mädchen gekommen seien.

„Wenn man sich da durchsetzt, ist man geprägt fürs Leben“, sagte Haseloff. Merkel wurde gerade vom US-Magazin „Forbes“ zur mächtigsten politischen Frau auf dem Planeten gekürt. Merkel zeichne ein ganz spezieller Führungsstil aus. „Sie ist ostdeutsch und weiblich geprägt, ausgestattet mit der notwendigen Intuition und dem richtigen Maß an Instinkt. Damit haben Männer, vor allem westdeutsche, eher Probleme“, weiß Haseloff. „Ich habe damit keine Probleme, weil ich diesen Führungsstil zu Hause jeden Tag erlebe.“

Die SPD hat die unterdessen die Bundesregierung davor gewarnt, das Erbe der Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) und Willy Brandt (SPD) durch außenpolitische Alleingänge zu verspielen. SPD-Fraktionsvize Gernot Erler sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“: „Es ist ein gewichtiger Vorgang, wenn ein Mann wie Helmut Kohl, der erfolgreich an Adenauers Politik der Westbindung und Brandts Ost- und Entspannungspolitik angeknüpft hat, diese Traditionen in Gefahr sieht.“ Erler betonte, Deutschland müsse europäischer sein als andere Staaten und mehr europäische Verantwortung übernehmen, auch wenn das unpopulär sei.

Sonderwege wie die deutsche Enthaltung in der Abstimmung des Uno-Sicherheitsrates über den Libyen-Einsatz dürften sich nicht wiederholen. Der SPD-Politiker kritisierte auch die Aussage von Außenminister Guido Westerwelle (FDP), Deutschland müsse sich auf eine neue Welt mit neuen Kraftzentren einstellen. Er fragte: „Soll das bedeuten, dass wir jetzt die Partnerschaft mit Frankreich und die Partnerschaft mit den USA hinter uns lassen?“ (dpa/dapd/rtr/abendblatt.de)