Die deutsch-amerikanischen Beziehungen stehen nicht zum Besten. Mit Merkels Besuch soll sich das jetzt ändern.

Hamburg/Washington. Es ist ein merkwürdiges Verhältnis, das die überzeugte Europäerin und Amerika-Freundin Angela Merkel und den US-Präsidenten Barack Obama verbindet. Irgendwie wie die zwei Königskinder, die nicht so recht zueinander können. Das hat viel mit Skepsis, gegenseitigem Belauern, Eitelkeiten, mit unterschiedlichen politischen Beurteilungen zu tun – und mit einem Wildschweingrillen im vorpommerschen Trinwillershagen. Denn die deutsche Bundeskanzlerin hatte Obamas Vorgänger George W. Bush einst in ihre Heimat eingeladen, um mit ihm bei deftiger Grillkost die deutsch-amerikanische Freundschaft zu feiern. Nicht dass Obama das vermissen würde. Doch ihm stößt noch immer auf, dass er einst als Präsidentschafts-Kandidat vor Hunderttausenden an der Berliner Siegessäule reden durfte, aber von Merkel gemieden wurde. Besonders enge private Begegnungen bestehen zwischen beiden nicht. Das könnte sich jetzt ändern.

Die Bundesregierung weist pünktlich zur großen USA-Reise der Kanzlerin, einiger Minister, Prominenter und des Hamburger Bürgermeisters Olaf Scholz (SPD) den Eindruck zurück, sie könnte enttäuscht sein, dass Obama als Präsident zwar in Nachbarstaaten Deutschlands, aber noch nicht nach Berlin gekommen ist. Als Kandidat wurde ihm eine Rede vor dem Brandenburger Tor verwehrt. Als US-Präsident kam er bisher aber nicht, was Gerüchte anheizte, dass das seine Revanche sei. Er reiste aber bereits nach Baden-Baden und Dresden und besuchte das ehemalige Konzentrationslager Buchenwald.

Merkels Besuch in den USA ist guter Anschauungsunterricht für die derzeitigen deutsch-amerikanischen Beziehungen. Obama wird die 56-jährige Christdemokratin im Rosengarten des Weißen Hauses mit der höchsten zivilen Auszeichnung würdigen, die er zu vergeben hat: der Freiheitsmedaille. Er erkennt damit vor aller Welt Merkels Lebensweg, ihr Streben nach Freiheit und ihren Erfolg als erste Ostdeutsche und erste Frau an der Spitze der Bundesrepublik an. Er bereitet ihr einen Staatsempfang, wie ihn Deutschland seit Mitte der 1990er-Jahre nicht mehr erlebt hat.

Und zugleich macht er schon vor Merkels Eintreffen klar, dass er sich offensichtlich über sie geärgert hat und nicht um den heißen Brei reden will. Es geht um Libyen. Deutschland, gerade erst nichtständiges Mitglied im Uno-Sicherheitsrat geworden, enthielt sich im Frühjahr bei der Abstimmung über die Nato-Operation gegen den Machthaber Muammar al-Gaddafi. Der lässt auf sein Volk schießen, um einen Umsturz wie in Tunesien und Ägypten zu verhindern. Damit ging die Bundesrepublik quasi eine Koalition mit Russland und China gegen westliche Verbündete ein.

Via „Tagesspiegel“-Interview ließ Obama Merkel öffentlich wissen, dass er von Deutschland mehr erwarte: „Ich freue mich auf die Diskussion mit der Kanzlerin, wie wir gemeinsam noch mehr tun können, um effektiver auf die Veränderungen in der Region zu reagieren.“ Und er betont: „inklusive Libyen“. Die Menschen in Libyen, Ägypten und anderen Staaten Nordafrikas verdienten die entschlossene Hilfe Deutschlands und Amerikas. Und dann zitiert Obama noch Merkel selbst: „Freiheit kommt nicht von selbst. Für Freiheit muss man jeden Tag kämpfen und sie aufs Neue verteidigen.“

Im Fall Libyen hat die Bundesregierung aber große Bedenken und es wäre sicher zu einfach, Merkel und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) vorzuwerfen, Deutschland hätte sich im Weltsicherheitsrat nur enthalten, um die Chancen von Union und FDP bei den Landtagswahlen in diesem Jahr nicht noch mehr zu gefährden.

Die Regierung weiß um die scharfe Ablehnung des Afghanistan-Einsatzes durch die große Mehrheit der Deutschen. Auch dieser Krieg hatte einmal mit guten Motiven begonnen. Die Afghanen sollten von den Taliban befreit werden und die Bundeswehr sollte Frieden schaffen. Dass das auch in zehn Jahren nicht gelingen würde und viele Bundeswehrsoldaten dabei getötet und verletzt würden, ahnte damals niemand. Ein solches weiteres Risiko will die Regierung Merkel möglichst vermeiden. Und sie blickt auf noch auf andere Staaten Afrikas. Wenn es Kampfaktionen gegen Libyen und Hilfe für die dort unterdrückten Menschen geben soll, warum dann nicht etwa für den Sudan? Und wo war die Hilfe für Ruanda und den Kongo, wo ebenfalls massenweise Menschen umgebracht wurden?

Die Entwicklung um Tripolis bestätigt auch Befürchtungen der Bundesregierung. Seit drei Monaten bombardiert die Nato Stellungen Gaddafis. Auch Zivilisten sterben dabei. Frieden gibt es noch nicht. Und manche Militärs haben Zweifel, ob nicht doch der Einsatz von Bodentruppen nötig werden wird. Womöglich wird Obama nach den Gesprächen mit Merkel im Falle Libyen nicht viel anderes sagen als vorher: „Wir sind nicht immer einer Meinung“, aber „wir sprechen stets ehrlich und offen miteinander, wie enge Freunde das tun sollen“. Vielleicht das nächste Mal in Berlin. Eine Einladung von Merkel in die Hauptstadt gilt als sicher.

Im Reisetross von Merkel sind überraschenderweise auch ihr Mann, Prof. Jochim Sauer, der bereits Anfang der Neunziger in den USA arbeitete, Thomas Gottschalk, Jürgen Klinsmann sowie der Hamburger Erste Bürgermeister Olaf Scholz. Die Reisegruppe macht schon den Charakter des Treffens aus. Sicherlich wird für Scholz das Politische im Fokus stehen. Doch für Merkels Gatten und die mitreisenden Promis steht das gesellschaftliche Programm im Vordergrund der Reise. (dpa/abendblatt.de)