Barack Obama scherzte: „Wir sehen beide nicht aus wie unsere Vorgänger.“ Angela Merkels USA-Reise zwischen Krabbenravioli und diplomatischem Erfolg.

Washington. Google-Mastermind Eric Schmidt, der Sänger James Taylor, Thomas Gottschalk, Schauspieler, Promis und das Washingtoner Polit-Establishment – sie alle bildeten die hübsch anzuschauende Kulisse für Angela Merkels eindrucksvollsten USA-Besuch, seit sie vor beinahe 20 Jahren mit ihrem Mann Joachim Sauer als unbekannte Politikerin der deutschen Nach-Wendezeit Amerika für sich entdeckte. Die Kanzlerin wurde geehrt und war gerührt. Als US-Präsident Barack Obama im Rosengarten des Weißes Hauses an das hölzerne Pult mit dem goldenen Adler tritt, steht Merkel vor einem Höhepunkt in ihrer politischen Karriere. Es ist nicht nur ein perfekter Washingtoner Sommerabend mit einer langsam untergehenden Sonne. Gleich wird Merkel die amerikanische Freiheitsmedaille überreicht bekommen, die höchste amerikanische Auszeichnung für Zivilisten.

Das alleine ist im nicht immer einfachen transatlantischen Verhältnis ein so wichtiges Zeichen, dass sich dafür sogar ihr medienscheuer Ehemann Joachim Sauer im Smoking zum Staatsbankett in das Weiße Haus eingefunden hat. Aber dann steigert Obama die Ehrung gleich im ersten Satz noch: „Dies ist der erste offizielle Staatsbesuch mit einem Staatsbankett für einen europäischen Führer in meiner Amtszeit.“

Mit einem einzigen Satz hat der Präsident der Supermacht die deutsche Kanzlerin im sechsten Jahr ihrer Regierungszeit ein für alle Mal aus der Masse der Regierungschefs hervorgehoben. Und erkennbar hat die in der Innenpolitik durchaus gebeutelte CDU-Chefin wie schon beim Empfang mit militärischen Ehren am Morgen Probleme, ein glückliches Lächeln zu unterdrücken. Denn „das ostdeutsche Mädchen namens Angela“ (Obama) ist mit diesem Tag zu einer Ikone der transatlantischen Beziehungen geworden.

„Sie ist ein Symbol des Triumphs der Freiheit“, begründet Obama die Preisvergabe und erwähnt, dass Merkel in ihrer DDR-Jugend auch eine Aufforderung abgelehnt habe, für die Stasi zu spionieren. „Dass ich eines Tages im Rosengarten stehen und die Freiheitsmedaille von dem US-Präsidenten überreicht bekommen würde, das lag jenseits all meiner Vorstellungskraft“, kontert sie in ihrer kurzen Ansprache vor rund 250 deutsch-amerikanischen Prominenten aus Politik und Gesellschaft.

Nur wenig hatte das Weiße Haus über das Staatsbankett für Kanzlerin Angela Merkel bekannt gegeben. Grammy-Gewinner James Taylor und das National Symphony Orchestra sorgten für musikalische Unterhaltung. Auf die Teller kam Thunfisch-Tatar mit Roggen-Kräckern und Petit-Filet mit Maryland-Krabbenravioli. Zum Dessert gab es ein eigentlich deutsches Gericht: Strudel – verfeinert mit einer Portion bestem Käse aus dem US-Staat Vermont. Zu Tisch bat Obama im Rosengarten.

Obamas Würdigung für Merkel ist dabei für beide gut: Merkel kann damit jede Kritik etwa an der deutschen Enthaltung im Uno-Sicherheitsrat zu Libyen abwehren, weil sich in Washington vielleicht Unverständnis, aber keine Grundzweifel an ihrer Amerika-Liebe einstellen können wie bei ihrem Vorgänger Gerhard Schröder. Das schafft Freiraum für die eigene Politik. Obama wiederum gelingt es, Merkels ostdeutschen Freiheitsmythos nun auch für sich zu nutzen. Denn ein Zeichen für Fortschritt und Freiheit in beiden Ländern sei eben, „dass wir beide nicht aussehen wie unser Vorgänger“, scherzte er schon am Morgen auf dem Rasen vor dem Südeingang des Weißen Hauses beim Empfang mit militärischen Ehren.

Gezielter konnte die Anspielung auf die doppelte Außenseiterrolle des transatlantischen Duos nicht ausfallen – beide haben sich hochgearbeitet: hier der erste schwarze Präsident der Supermacht, dort die erste ostdeutsche Frau an der Spitze des deutschen Staates. Das verbindet und schafft eine auch medial interessante Beziehung.

Und Merkel bedankt sich, in dem sie ihre ganze Ansprache der Freiheit widmet – mit für deutsche Ohren ungewohntem Pathos und Sätzen wie „Die Sehnsucht nach Freiheit lässt sich nicht einmauern“, die aber bei den amerikanischen Gastgebern sehr gut ankommt. Die eher spröde Kanzlerin und der unnahbare Präsident, die transatlantische Kanzlerin und der „erste pazifische US-Präsident“, denen bisher eine eher schwierige Beziehung nachgesagt worden war, scheinen endlich angekommen zu sein – auf einer persönlichen Basis, die gelegentliche Streitigkeiten beider Regierungen nicht mehr zerstören kann.

Deshalb wirkte es fast entlarvend ehrlich, als Obama in der gemeinsamen Pressekonferenz im East Room des Weißen Hauses scherzte, die Vergabe der Freiheitsmedaille sehe er übrigens nicht nur als Würdigung früherer Verdienste, sondern auch als Erwartung an seine Partnerin in Berlin. „Sie ist noch nicht am Ende“, sagte er augenzwinkernd.

Da staunten auch die deutschen Gäste, unter ihnen Außenminister Guido Westerwelle, Wirtschaftsminister und Vizekanzler Philipp Rösler (beide FDP), Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), Verteidigungsminister Thomas de Maizière und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU). Zudem wurde Merkel vom hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU) und Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) begleitet.

Merkels Gatte Sauer nahm an der Veranstaltung am Dienstagmorgen nicht teil. Er war getrennt nach Washington gereist und hatte zuvor unter anderem einen Vortrag an einer Universität in Detroit gehalten. Er traf erst am Nachmittag in Washington ein und wurde den Angaben zufolge auf dem Ronald Reagan Airport vom stellvertretenden Chef des Protokolls der Vereinigten Staaten von Amerika, Mark Walsh, abgeholt. (abendblatt.de/rtr/dpa/dapd)