Das Ziel bleibt die Zwei-Staaten-Lösung. Außenminister Avigdor Lieberman zu Gast beim Europäisch-Israelischen Dialog.

Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) drängt Israel angesichts der blutigen Umwälzungen im Nahen Osten zu raschen Fortschritten im Friedensprozess mit den Palästinensern. „Der Stillstand muss nach meiner festen Überzeugung überwunden werden“, sagte Merkel nach einem Gespräch mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Dies sei „dringlicher denn je“. Fortschritte könnten bis zum Herbst erreicht werden. Zwischen Israel und militanten Palästinensern im Gazastreifen nimmt die Gewalt seit Wochen zu. Einer einseitigen Anerkennung eines unabhängigen Palästinenserstaates erteilte Merkel erneut eine klare Absage. Ziel bleibe eine Zwei-Staaten-Lösung. „Und deshalb sind einseitige Anerkennungen auf gar keinen Fall ein Beitrag dazu, diesem Ziel, was ich für unerlässlich halte, entgegenzukommen.“

Neue Verhandlungen im Rahmen des Nahost-Quartetts von Vereinten Nationen, Europäischer Union, USA und Russland könnten ein Weg sein, um Bewegung in den Friedensprozess zu bringen, sagte Merkel. Zur deutschen Haltung erklärte sie: „Wir fühlen uns verpflichtet, dass bis zum September, bis zum Herbst des Jahres 2011, auch hier ein wichtiger Fortschritt erzielt werden sollte und nach unserer Meinung auch erzielt werden könnte.“ Mit Netanjahu habe es sehr konstruktive Gespräche über die Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen gegeben. Details nannte sie nicht.

Merkel betonte auch mit Blick auf den Iran den Einsatz Deutschlands für die Sicherheit Israels. „Das Nuklearprogramm des Iran ist mehr denn je eine Bedrohung. Und es muss alles getan werden, um zu verhindern, dass der Iran in den Besitz von Atomwaffen kommt“, sagte sie. Die Unterdrückung demokratischer Kräfte im Iran sei gerade im Zusammenhang mit den Umbrüchen in der Region inakzeptabel. „Im Iran waren die ersten demokratischen Revolutionsbewegungen und sie wurden ganz brutal auch niedergeschlagen“, kritisierte die Kanzlerin.

Netanjahu sagte, Israel versuche, die Nahost-Gespräche „wieder anzustoßen, um Frieden, Sicherheit und Stabilität zu erreichen“. Zur Siedlungsfrage, dem zentralen Hindernis bei den Friedensgesprächen, sagte er: „Die Menschen in Israel verlangen nach Frieden und wenn wir Frieden, Sicherheit und Stabilität erreichen können, dann wird die Frage der Siedlungen kein unüberwindbares Hindernis sein.“ Er blicke mit Hoffnung und zugleich Sorge auf die Umwälzungen in Nachbarländern wie Ägypten. Israel sei die einzige stabile Demokratie in der Region.

Die Palästinenser wollen nach dem jahrelangen erfolglosen Friedensprozess im Herbst mit Hilfe der Uno-Vollversammlung einen unabhängigen Staat ausrufen. Netanjahu will das verhindern. Merkel hatte ihn schon bei den dritten Regierungskonsultationen Ende Januar in Jerusalem zu mehr Bewegung im Friedensprozess aufgerufen.

Israelische Kampfbomber hatten in der Nacht zum Donnerstag Munitionsdepots der radikal-islamischen Hamas und Schmugglertunnel angegriffen. Nach israelischen Medienberichten befürchtet die Regierung in Jerusalem, dass in der kommenden Woche bei einem Treffen des Nahost-Quartetts der Rahmen für eine Verhandlungslösung abgesteckt werden könnte. Das wolle Israel verhindern, hieß es.

Unterdessen ist bei einem Angriff aus dem Gazastreifen am Donnerstag ein israelisches Kind lebensgefährlich verletzt worden. Der israelische Rundfunk meldete, eine Rakete oder Mörsergranate haben einen Bus in der Negevwüste direkt getroffen. Dabei hätten zwei Insassen Verletzungen erlitten. Ein Armeehubschrauber sollte das schwer verletzte Kind in ein Krankenhaus bringen. Militante Palästinenser hätten weitere Geschosse auf das israelische Grenzgebiet abgefeuert, hieß es.

Knapp vier Wochen nach der Ermordung einer jüdischen Siedlerfamilie im Westjordanland hat die israelische Armee in der Nähe der Stadt Nablus in der Nacht zum Donnerstag mehr als 100 Palästinenserinnen kurzzeitig festgenommen. Hunderte israelische Soldaten seien in die Ortschaft Awarta gekommen, um eine Ausgangssperre zu überwachen, und hätten die Frauen mitgenommen, sagte ein örtlicher Behördenvertreter der Nachrichtenagentur AFP. Zudem hätten die Soldaten mehrere Häuser durchsucht.

Im Berliner Verlagshaus der Axel Springer AG findet am Donnerstag der elfte European-Israeli Dialogue mit 45 europäischen und israelischen Politikern, Journalisten und Wirtschaftsvertretern statt. Israel und Deutschland waren durch ihre Außenminister Avigdor Lieberman und Guido Westerwelle vertreten. Initiatoren und Gastgeber des Dialogs waren die Axel Springer AG und das Institute for Strategic Dialogue.

Die Diskussion war geprägt von den aktuellen Umwälzungen im Nahen Osten, der Rolle des Islams sowie möglichen Verbesserungen der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Europa und Israel. „Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen im Nahen Osten ist ein gemeinsamer europäisch-israelischer Gedankenaustausch wichtiger denn je. Schließlich haben beide Regionen gemeinsame wirtschaftliche, außen- und sicherheitspolitische Interessen“, erklärte Dr. Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG. Lord Weidenfeld, Präsident des Institute for Strategic Dialogue, ergänzte: „Derzeit wissen wir noch gar nicht, wie sich der Nahe Osten langfristig entwickeln wird. Eine gemeinsame europäisch-israelische Haltung kann die jungen Demokratiebewegungen in der Region stärken und so zur Stabilität beitragen.“

Israels stellvertretender Ministerpräsident und Außenminister Avigdor Lieberman sagte: „Das moderne Europa ist ein wichtiger Partner des Staates Israel in den Bereichen Handel, Wissenschaft und Kultur. Deutschland und Israel haben besondere Beziehungen, die vor dem schrecklichen Hintergrund der Shoah gewachsen sind. Heute sind wir Bündnispartner und uns verbindet eine tiefe Freundschaft.“

Der deutsche Außenminister und Vizekanzler Guido Westerwelle sagte: „Die Freundschaft und enge Partnerschaft mit Israel ist und bleibt eine Grundkonstante deutscher Außenpolitik. Der Ausbau dieser Partnerschaft ist für mich eine Herzensangelegenheit. Foren wie der European Israeli Dialogue erfüllen unsere Freundschaft mit Leben.“

Eingeladen zum European-Israeli Dialogue waren weiterhin Hamed Abdel-Samad (ägyptischer Autor), John Elkann (stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender Fiat Auto), Hans-Peter Friedrich (Bundesinnenminister), Philipp Rösler (Bundesminister für Gesundheit) und Natan Sharansky (ehemaliger stellvertretender israelischer Premierminister und Menschenrechtsaktivist).