Laut Hochrechnungen vom Sonntagabend lag die NVA, die ein unabhängiges Flandern will, in der Region mit 29,5 Prozent in Führung.

Brüssel. Mit einem Triumph der nationalistischen Neu-Flämischen Allianz (NVA) bei der vorgezogenen Parlamentswahl hat sich die politische Krise in Belgien verschärft. Laut Hochrechnungen vom Sonntagabend lag die NVA, die ein unabhängiges Flandern will, in der Region mit 29,5 Prozent in Führung, wie der TV-Sender VRT berichtete. Der Sieg einer die Unabhängigkeit Flanderns fordernden Partei wäre eine Premiere bei gesamtbelgischen Wahlen.

Die Christdemokraten (CDV) des amtierenden Regierungschefs Yves Leterme errangen der Hochrechnung zufolge nur noch 18 Prozent der flämischen Stimmen. Die Liberalen (Open VLD) kämen auf 14 Prozent, der rechtsextreme Vlaams Belang auf 12,5 Prozent. Bei den französischsprachigen Belgiern in der Wallonie und Brüssel lagen nach Teilergebnissen auf Basis von gut der Hälfte der ausgezählten Stimmen die Sozialisten (PS) mit rund 36 Prozent vorn, wie VRT berichtete. Die PS will wie die meisten Frankophonen eine Spaltung des Landes verhindern. Hinter ihr lagen die Liberalen (MR) und die Zentristen (CDH).

NVA-Chef Bart De Wever sprach im flämischen Fernsehen von außergewöhnlichen Ergebnissen. „Wir werden unsere Verantwortung übernehmen“, sagte der populäre Politiker. „Niemand hat ein Interesse daran, das Land zu blockieren.“ Der scheidende Finanzminister und Vize-Ministerpräsident Didier Reynders (MR) sprach dagegen von einer „Situation, die problematisch für das Land ist“.

Die Autonomieforderungen der NVA hatten den Wahlkampf beherrscht. Die Partei plädierte im Wahlkampf für einen „flämischen Nationalismus in moderner und menschenfreundlicher Form“. Sie strebt stärkere Autonomie an und auf lange Sicht „eine flämische Republik, als Mitgliedstaat eines konföderalen und demokratischen Europas“.

Flandern stellt 60 Prozent der 10,5 Millionen Belgier und steht wirtschaftlich besser da als die Wallonie und Brüssel. Die Hauptstadt ist formell zweisprachig, de facto aber überwiegend frankophon. Den Flamen stehen 88 der 150 Sitze in der Abgeordnetenkammer zu.

BELGIER BANGEN UM EINHEIT DES LANDES

Der führende PS-Politiker Paul Magnette sagte dem Rundfunksender RTBF, möglicherweise „muss man mit der Partei“ NVA regieren. Vor der Wahl hatten auch andere frankophone Parteien Koalitionsgespräche mit der NVA nicht ausgeschlossen. Die Regierung muss aus Frankophen und Flamen bestehen. De Wever hatte den Frankophonen indirekt das Amt des Regierungschefs angeboten, wenn sie ihm in der Autonomiefrage entgegenkämen. Auf den Posten hat nun PS-Chef Elio Di Rupo Aussichten.

Rund 7,7 Millionen Bürger waren zur Stimmabgabe verpflichtet. Die vorgezogenen Wahlen wurden nötig, nachdem Letermes Regierung Ende April am Streit der Sprachgruppen zerbrochen war.