Schwere Anschuldigungen gegen die Bundeswehr: Deutsche Soldaten sollen in Afghanistan einen Toten geschändet haben. Verteidigungsminister Jung kündigte eine Untersuchung an: „Ein derartiges Verhalten kann nicht geduldet werden.“

Hamburg/Berlin. Deutsche Soldaten in Afghanistan sollen nach einem Bericht der "Bild"-Zeitung auf skandalöse Weise Leichen schänden. Die Zeitung veröffentlichte Fotos, auf denen Bundeswehrsoldaen einen Totenschädel hochhalten. Eins zeigt einen Soldaten, der seinen entblößtem Penis neben einen Totenschädel hält.

Die Fotos seien nach Aussage eines Bundeswehr-Angehörigen bereits im Frühjahr 2003 entstanden, berichtet das Blatt. Der gezeigte Schädel könnte laut "Bild" aus einem Massengrab in der Nähe von Kabul stammen. Unklar sei, ob es sich bei dem Totenschädel um die sterblichen Überreste eines Afghanen oder möglicherweise eines russischen Soldaten handele, der während der sowjetischen Besatzungszeit (1979-1989) gefallen sein könnte. Die Bilder seien unter dem Kommando eines Feldwebels gemacht worden. Beteiligt gewesen seien auch zwei Stabsunteroffiziere sowie zwei weitere Soldaten.

Die Fotos könnten den Zorn vieler Muslime auf den Westen weiter anfachen. Denn die Bilder dürften die religiösen Gefühle vieler Muslime tief verletzen. Die Totenruhe ist im Islam traditionell heilig. Auch wenn aufgebrachte Menschenmengen in Somalia oder im Irak schon die Leichen getöteter US-Soldaten verstümmelt haben, gilt die Schändung eines Leichnams im islamisch geprägten Kulturraum doch als schwere Sünde.

Vertreter der großen Koalition und der Bundeswehrverband fordern eine rasche Aufklärung der Vorwürfe. "Wir müssen wissen, ob es sich dabei um Einzelfälle handelt, wovon zunächst einmal, denke ich, auszugehen ist", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz (CDU). "Das muss aufgeklärt werden, damit der Ruf der Bundeswehr keinen Schaden leidet." Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums kündigte dem Zeitungsbericht zufolge eine Untersuchung an. Die internationale Afghanistan-Schutztruppe ISAF hat volle Unterstützung bei der Untersuchung zugesagt.

SPD-Fraktionsvize Walter Kolbow sprach sich für dienst- und strafrechtliche Konsequenzen aus. Nach dem Strafgesetzbuch (StGB) ist die Störung der Totenruhe ein Delikt, das mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden kann. Die Vorschrift (Paragraf 168 StGB) lautet: "Wer unbefugt aus dem Gewahrsam des Berechtigten eine Leiche, Leichenteile, eine tote Leibesfrucht, Teile einer solchen oder die Asche eines Verstorbenen wegnimmt, wer daran oder an einer Beisetzungsstätte beschimpfenden Unfug verübt oder wer eine Beisetzungsstätte zerstört oder beschädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."

Das Bundeskabinett will heute über die Fortsetzung der Bundeswehr-Beteiligung an der Anti-Terror-Operation "Enduring Freedom" in Afghanistan entscheiden. Am Hindukusch sind zurzeit 2730 deutsche Soldaten im Einsatz. Es ist eine Reduzierung auf 1800 geplant.