Das Bundeskabinett hat laut Verteidigungsminister Franz Josef Jung eine Verlängerung der deutschen Beteiligung am Anti-Terror-Kampf “Enduring Freedom“ beschlossen. Doch was eigentlich eine Routineentscheidung ist, wurde diesmal zum Politikum: Skandale in der Bundeswehr und internationaler Druck werfen lange Schatten auf die deutsche Friedensmission.

Deutschland bleibt in Afghanistan, reduziert jedoch voraussichtlich seine Truppen. Denn mit dem neuen Mandat beschloss die Regierung auch, die bisher nicht ausgeschöpfte Obergrenze für ihr "Enduring Freedom"-Kontingent von 2800 auf 1800 Soldaten zu verringern, sagte Regierungssprecher Thomas Steg. Das Kabinett gab zudem grünes Licht für einen verlängerten Einsatz der Kommando Spezialkräfte (KSK) in Afghanistan. Dort beteiligt sich die Bundeswehr im Rahmen von "Enduring Freedom" mit bis zu 100 Soldaten des KSK.

Die Elitetruppe war erst kürzlich durch den Fall Kurnaz in die Kritik geraten. Der Deutsch-Türke aus Bremen, der im August nach vierjähriger Haft aus dem US-Gefängnis Guantnamo auf Kuba freigelassen worden war, behauptet, von zwei deutschen Soldaten misshandelt worden zu sein. Sicher ist bislang nur, dass Kurnaz Sichtkontakt mit deutschen Soldaten hatte. Ob er tatsächlich misshandelt wurde, wird derzeit in einem Verteidigungsausschuss geprüft.

Um das Risiko solcher Entgleisungen zukünftig einzudämmen, verankerte die Regierung im neuen "Enduring Freedom"-Mandat einen Passus, nach dem die Elitetruppe verpflichtet ist, die Obleute des Verteidigungsministeriums "regelmäßig und im Vorwege" über ihre Operationen zu unterrichten. Die Regelung, die bislang nur dem Protokoll beigeheftet war, bedeutet eine Lockerung der KSK-Geheimhaltungsauflagen.

Doch nicht nur die Verdächtigungen um das Kommando Spezialkräfte bringen die Bundeswehr derzeit in Verruf: Am Morgen vor der entscheidenden Kabinetts-Sitzung zur Verlängerung des Mandats kamen über die "Bild"-Zeitung zudem Fotos in den Umlauf, auf denen deutsche Soldaten der ISAF-Schutztruppe auf unflätige Weise mit einem Totenschädel herumspielen. Ein Bild zeigt einen Soldaten, der seinen entblößtem Penis neben den Schädel hält. Laut dem Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, verhört die Bundeswehr derzeit zwei Verdächtige in dem Fall.

Dem Ansehen der Bundeswehr in Afghanistan droht wegen der mutmaßlichen Totenschändung erheblicher Schaden, den eingesetzten Soldaten möglicherweise eine erhöhte Gefahr. Extremisten und andere Unruhestifter könnten die Bilder, die die religiösen Gefühle vieler Muslime tief verletzen, dazu nutzen, den Hass auf die ISAF und auf westliche Ausländer insgesamt weiter anzustacheln.

Zusätzlichen Druck übt die Internationale Gemeinschaft auf das Verteidigungsministerium aus. Vor allem Großbritannien, Kanada, die Niederlande und die USA, jene Länder, die bei Einsätzen in Afghanistan einen hohen Blutzoll zahlen, fordern unablässig die Beteiligung deutscher Truppen im Hauptkonfliktherd in Südafghanistan. Zwar betonte Verteidigungsminister Jung immer wieder, dass sich der deutsche Einsatz "auf den Norden" konzentriert; es ist aber fraglich, wie lange Deutschland sich noch mit bloßer logistischer Unterstützung der Einsätze im Süden aus der Affäre ziehen kann. Spätestens auf dem Nato-Gipfel Ende November in Riga wird sich das Verteidigunsministerium vor der Weltöffentlichkeit zu diesem Thema äußern müssen.

Deutschland beteiligt sich seit den Anschlägen vom 11. September 2001 am internationalen Anti-Terror-Kampf der USA. Der Bundestag hatte am 16. November 2001 erstmals die Beteiligung der Bundeswehr an der Operation "Enduring Freedom" beschlossen. Seitdem wird das Mandat jedes Jahr verlängert. Grundlage für die Operation sind unter anderem zwei Resolutionen des UN-Sicherheitsrats. Anders als für die ISAF-Schutztruppe in Afghanistan gibt es für "Enduring Freedom" kein UN-Mandat.

dpa/rtr/AP/AFP