“En Sommernachtsdroom“ eröffnet das neue Ohnsorg-Theater, besonders und überraschend. Trotz meisterhafter Übersetzung aber schwer zu verstehen.

Hamburg. Intendanten-Ehrgeiz ist es, zur Eröffnung eines neuen Theaters seinem Publikum etwas Besonderes und vor allem auch überraschend Neues zu bieten. Christian Seeler wollte nicht mit einem Schwank nach Ohnsorg-Art auf Nummer sicher gehen, sondern eine Klassiker-Komödie von William Shakespeare riskieren. Für die Inszenierung von "Ein Sommernachtstraum" auf Plattdeutsch holte Seeler den britischen Regisseur Michael Bogdanov. Ein doppeltes Wagnis.

Und ein Fazit nach der Premiere am Sonntagabend: Das Stück funktioniert nur teilweise in der meisterhaften, doch schwierig zu sprechenden und ebenso zu verstehenden Übersetzung ins Plattdeutsche. Zudem bleibt Ohnsorg-Novize Bogdanov teilweise seinem altbewährten Stadttheater-Regiestil der vordergründigen Modernisierung verhaftet. So wird trotz des leuchtenden Vollmonds über der Szene (Ausstattung: Félicie Lavaulx-Vrécourt) aus dem ambitionierten Abend keine runde, zündende Aufführung. Sie unterhält und überzeugt vor allem im zweiten Teil, wenn sie an Schwung durch die Hetzjagd der Verliebten und die Komik im Rüpelspiel von "Pyramus und Thisbe" gewinnt. Da erreicht die Komödie vertraute Ohnsorg-Stimmung, es stellt sich aber doch die Frage: Warum nicht gleich ein populärer Kracher zum Auftakt im neuen Haus?

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Der Regisseur zeigt in seiner Inszenierung entschlossen, was eine moderne Bühne alles kann. Die neue im Bieberhaus ist zwar ebenso breit wie das alte "Nudelbrett", dafür aber doppelt so hoch und mit erstklassiger Licht- und Ton-Technik ausgestattet. Bogdanov lässt die Drehbühne rotieren und Blätterschauer aus der Oberbühne für Oberons Zauberwald rieseln. Ein Ruhebett für Elfenkönigin Titania senkt sich an den Zügen aus luftiger Höhe herab, auf dem die Elfen ihre Herrin in Schlaf singen und wiegen. Nur dass Beate Kiupels Titania in feuerroter Perücke und Axel Stoßbergs Oberon im Transparenthemd Verse auf Platt reimen, klingt dem Zuhörer recht bieder im Ohr und will nicht zu Shakespeares dämonisch schillernden Figuren passen. Genau wie das Vorspiel auf der munter kreisenden Drehscheibe, indem das Paar als Hippolyta und Theseus offenbar Machthaber in einer Militärdiktatur mimt. Bogdanovs so unnötiger wie von ihm überstrapazierter Regieeinfall erledigt sich von selbst im Zauberwald.

Dorthin verirrt sich auch die Handwerker-Gruppe. Die kreuzbraven Männer aus dem Volk kommen im Lieferwagen angefahren, haben sich gut versorgt mit Bierkasten und Mobiltelefonen. Sofort kommt authentisches Ohnsorg-Feeling auf. Sie debattieren in ihrer Werkstatt an der Hobelbank "fachmännisch" über "Theaterspielen" - ein großer Spaß, vorausgesetzt man versteht, worüber sie reden. Und warum die Handwerker einen belämmerten Blues über den verlorenen Dukaten, "Een Sössling den Dag", säuseln müssen, wissen wohl allein der Regisseur und der musikalische Leiter Patrick O'Donnel. Dessen altbacken lahmer, vor sich hin plätschernder Mix aus Dixieland, Jazz und Swing bringt weder musikalischen Zauber für die Elfenwelt, noch macht er den triebgesteuerten Jungen Feuer unterm Hintern.

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Sieht man sich Hermia und Lysander, Helena und Demetrius an, ist kaum vorstellbar, dass sich die Generation "Alderdigger" tatsächlich auf Niederdeutsch anbaggert. Allerdings geben Birte Kretschmer und Nils Owe Krack, Andrea Gerhard und Christian Richard Bauer ihr Bestes, um aus dem turbulenten "Streit-Quartett" die Komik verliebter Verrückter herauszuholen. Kretschmer, an Beinen und Armen gefesselt, hüpft wie ein Känguru durch den Wald. Die Kerle, durch den Blumenzauber des Kobolds Puck plötzlich Nebenbuhler, hetzen sich mit Messer und Schlagstock. Hier allerdings kommt kein Zweifel daran auf, dass Plattdeutsch auch Elfen-Sprache sein könnte. Auch die Handwerker sind in ihrem ureigenen Sprachelement, laufen beim Rüpelspiel zur Hochform auf, ernten mehrfach Szenenapplaus bei den Zuschauern auf der Bühne wie im Saal.

Horst Arentholds Zettel gerät als behelmter bramarbasierender Held richtig in Rage, Jasper Vogt spricht stoisch und mit trockenem Witz die Wand, Michael Bernhard gelingt eine rührend-ulkige Klage als Thisbe.

Bei der Premiere hatte nicht Puck das Schlusswort, sondern Kultursenatorin Barbara Kisseler. Sie beglückwünschte Christian Seeler zu seinem Mut und der Marathonleistung des Umbaus. Zwar hatte die Rheinländerin wenig verstanden, wie sie zugab, lobte aber das hinreißende Ensemble und gratulierte in astreinem Kölsch: "Det is een janz dolles Theater hier."

En Sommernachtsdroom bis 8.10., Ohnsorg im Bieberhaus, Karten unter T. 35 08 03 21; Internet: www.ohnsorg.de

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