Das Ohnsorg-Theater eröffnete die erste Saison im Bieberhaus. Olaf Scholz, Erster Bürgermeister, freut sich über Umbau ohne Zuschüsse.

St. Georg. Applaus, Blumen, Umarmungen, Glückwünsche. Mit einer glanzvollen Premiere startete das Ohnsorg-Theater gestern Abend in eine neue Ära. Nunmehr im Bieberhaus am Hauptbahnhof untergebracht und irgendwie jünger denn je, soll der Titel des erstmals op Platt aufgeführten Shakespeare-Klassikers Programm für die Zukunft sein: "En Sommernachtsdroom".

"Was vor 109 Jahren mit der Gründung der Niederdeutschen Bühne begann, wird jetzt in zeitgemäßem Umfeld fortgesetzt", sagte Intendant Christian Seeler. Weiterhin soll herzerfrischendes Volksschauspiel geboten werden - mit mehr Niveau. "Wir bringen auf die Bühne, was die Menschen beschäftigt und bewegt", so Seelers Credo. Der vom renommierten Regisseur Michael Bogdanov inszenierte "Sommernachtstraum" soll der Anfang sein.

Bogdanov wirkte von 1988 bis 1992 als Intendant am Deutschen Schauspielhaus vis-à-vis. Und von dort kam gestern per roter Leuchtschrift ein besonderer Gruß an die neuen Nachbarn, der groß geflaggt hatte: "Herzlich willkommen und ein dickes ,toi, toi, toi'." 420 Ehrengäste, darunter Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), Senatoren, Kulturschaffende, Schauspieler aller Sparten und weitere Prominenz, nahmen im mit moderner Technik ausgerüsteten Saal auf Sitzen mit schwarzen Lehnen und auberginefarbenem Stoff Platz.

"Das Verdienst an diesem Haus schreibt sich weder der Bürgermeister noch jemand sonst im Rathaus auf seine Fahne", sagte Scholz zum Willkommen. "Das haben Sie alleine hinbekommen. Chapeau!" Gemeint waren Intendant Seeler und sein Team. Zudem freute sich der Erste Bürgermeister über den Umbau in Eigenregie - ohne staatliche Zuschüsse. Ob er dabei an die Elbphilharmonie dachte?

Wie auch bei der Vorpremiere hatten nach den Begrüßungsansprachen die 17 Darsteller und fünf Musiker Beifall und Lacher auf ihrer Seite. Beate Kiupel, Horst Arenthold, Jasper Volgt und Kollegen präsentierten sich 160 Minuten lang enorm in Form. NDR-Altmeister Carlo von Tiedemann brachte den allgemeinen Tenor so auf den Punkt: "Mannomann, hebbt wi lacht."

Die Irrungen und Wirrungen der Liebe in der mit Verwechslungen gespickten, uralten, doch allzeit aktuellen Liebeskomödie sollen bis zum 8. Oktober rund 50-mal lustvoll über die Bühne gehen. Zur neuen Politik zählen in den kommenden Monaten unterschiedliche Darbietungen wie die Kriminalkomödie "Ladykillers", Georges Feydeaus Schwank "De Floh in't Ohr" oder das Musical "De lütte Horrorladen". Allens op Platt, versteiht sik.

Diese Vielseitigkeit soll die nach den umsatzschwachen Jahren 2008 und 2009 auf rund 150 000 Zuschauer pro Jahr angewachsenen Besucherzuspruch (gut 90 Prozent Auslastung) halten - und steigern. Intendant Christian Seeler ist zuversichtlich, dass auf die 80 Ohnsorg-Mitarbeiter gute Zeiten zukommen. Basis ist das Geschäft mit dem Investor Alstria: Das Theater verlässt die seit einem Dreivierteljahrhundert angestammte Stätte an den Großen Bleichen vier Jahre vor Ablauf des Mietvertrags und macht so Platz für eine Einkaufspassage. Im Gegenzug brachte das Unternehmen 15 Millionen Euro für den 19 Monate währenden Umbau in der alten Hülle des Bieberhauses auf und vermietet die neue Fläche - 1000 Quadratmeter größer als die alte - zum bisherigen Mietzins von jährlich 250 000 Euro. Dieser hanseatische Deal gilt 30 Jahre und soll die Zukunft des Publikumsmagneten sichern.

Von der kreativen Arbeit des Architektenbüros Dinse, Feest, Zurl konnten sich die Premierengäste gestern überzeugen, als sie über einen roten Teppich durch die schwarzen Portale flanierten: Die Aufteilung ist pfiffig gelungen. Ohne dass der Charme gelitten hat. An der Büste Richard Ohnsorgs vorbei führt der Weg ins Theatercafé, das fortan selbst gemanagt wird und zur wirtschaftlichen Blüte beitragen soll. Dort werden Omas Butterkuchen und Brandenburger Pflaumenkuchen zu volkstümlichen Preisen feilgeboten.

Das wäre ganz nach dem Geschmack des unvergessenen Ohnsorg-Stars Heidi Kabel gewesen - wie das prickelnde Klima des Feiertags insgesamt. Und was hätte die Hamborger Deern, der zu Ehren am kommenden Sonntag ein vom Hamburger Abendblatt gestiftetes Denkmal auf dem künftigen Heidi-Kabel-Platz eingeweiht wird, dem Traditionstheater im neuen Gewand zugerufen? Holl die fuchtich, altes Haus!