Der Investor der Häuser rund um die bekannte Esso-Tankstelle auf St. Pauli lädt Künstler und Anwohner zu einem kreativen Dialog ein.

Hamburg. Gummibäume, Benjaminus, Palmen und überall kleine Erinnerungsstücke. Liebevoll gerahmt oder nur an die Wand gepinnt, wie die drei Karten vom FC St. Pauli. Die winzige Einraumwohnung von Evi wirkt wie eine Mischung aus Aquarium, Museum und Spielzimmer. Evi, 65 Jahre alt, lebt mit Enkel und Hund im vierten Stock der Häuser neben der Esso-Tankstelle. "Das geht gut, weil die Nachbarn uns helfen", sagt sie, "und das tun sie eigentlich immer." Sie führen den Hund aus oder holen den Enkel von der Schule oder vom Fußball ab. Sie nennen die zierliche Frau einfach Evi. Ihre Wohnung will sie nicht aufgeben. Deshalb ist sie der Initiative zur Rettung der Häuser beigetreten, "ich finde doch auf St. Pauli nichts Bezahlbares", sagt sie.

Direkt neben ihrem Haus liegt die wohl bekannteste Tankstelle Deutschlands. Für Evi "das Schönste überhaupt". Denn der Tratsch und Klatsch am Kaffeetresen, "so was gibt es sonst nirgendwo", sagt sie. Wenn sie erzählt, dann merkt man schnell, dass sie von hier ist. "Komm her, mein Schieter!", ruft sie, denn so rufen Menschen aus Hamburg ihren Hund.

Als Putz- und Toilettenfrau hat sie früher gearbeitet, eine Zeit lang auch im Schmidt-Theater. "Weil ich da jahrelang geputzt habe, lässt mich Corny Littmann auch mal so in die Vorstellung."

Das alles könnte nun bald vorbei sein. Die neuen Besitzer der Esso-Häuser, die Bayerische Hausbau GmbH, plant anderweitig mit dem wertvollen Areal am Spielbudenplatz. "Einen Beschluss, abzureißen, gibt es noch nicht", sagte Unternehmenssprecher Bernhard Taubenberger dem Abendblatt. Jedoch sei es kein Geheimnis, dass die Bayerische Hausbau abreißen und in größerem Umfang neu bauen wolle. "Im Falle eines Neubaus planen wir jeweils rund ein Drittel frei finanzierte Eigentums- und Miet- sowie Sozialwohnungen", sagt Taubenberger. "Der soziale Wohnungsbau - den es an dieser Stelle noch nicht gibt - würde etwa so groß ausfallen wie die gesamte gegenwärtige Wohnfläche, die rund 4500 Quadratmeter beträgt." Den Mietern soll ein Rückkehrrecht gewährt werden. Und auch der Musikclub Molotow soll zurückkehren dürfen, fordert Andy Grote, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion.

+++ Leitartikel: Unbehagen an der Moderne +++

Die Bayerische Hausbau geht jetzt nach einem Streit um Gutachten auf die Initiative zu und bietet an, einen unabhängigen Gutachter zu bezahlen, den die Initiative aussuchen kann.

Geht es bei dem Gutachten nur um die Analyse, wie marode der Bau ist, oder geht es auch um neue Konzepte?

"Es geht vor allem um die von der Initiative angezweifelte Tatsache, dass die Mieter während einer Sanierung ausziehen müssten. Aber ganz grundsätzlich: Wenn jemand mit einem hervorragenden und wirtschaftlich tragfähigen Konzept für den Erhalt oder den teilweisen Erhalt der bestehenden Gebäude kommt, diskutieren wir das gerne", sagt Stefan Günster, der Leiter Projektmanagement Nord der Bayerischen Hausbau.

Keine Chance hat die Tankstelle beim Abriss, denn mit einem Neubau wäre eine neuer Bebauungsplan nötig. Günster: "Und dann wird eine Tankstelle an diesem Ort nicht mehr genehmigungsfähig sein." Die Bayern sehen auch keinen Zusammenhang von Benzinverkauf, Supermarkt, Deutschlands erster Waschstraße und dem Kultstatus der Esso-Tanke. "Ganz ehrlich: Die Tankstelle ist ja nicht kultig geworden wegen der Waschanlage oder wegen des Benzinverkaufs", sagt Bernhard Taubenberger. "Sondern weil dort vorgeglüht oder der mitternächtliche Absacker getrunken wurde. Dafür braucht es eine Tankstelle nicht unbedingt." Gemeint ist die Wiedergeburt der "Tanke", die dann den Benzin-Zusatz im Namen verlieren würde.

Angedacht hat der Investor dazu eine große Gaststätte, die die Rolle des "Dorfmittelpunktes" (Corny Littmann über die Esso-Tanke) übernehmen könnte. Dabei verweist die Bayerische Haubau gern darauf, auch Brauereien unter dem Firmendach zu haben. "Wir würden die Initiative und darüber hinaus alle Interessierten auf St. Pauli gerne dazu einladen, gemeinsam zu besprechen, wie dieser Kult fortgeführt werden könnte. Ich kann nur sagen: Liebe Leute, schenkt uns eure Kreativität, helft mit, aus unserem Projekt einen Gewinn für St. Pauli zu machen", erklärt der Investor. Was die Initiative kaum machen wird. "Wir verhandeln nicht über Abriss und Neubau", sagt Julia Priani, die für die Initiative spricht.