Besuch auf dem Gelände des Kohlekraftwerks Moorburg. Die Kosten steigen, die Kessel haben Mängel. Vattenfall rechnet 2013 mit Inbetriebnahme

Burkhard Römhild ist ein weit gereister Mann. Er hat Kraftwerke unter anderem in Indien, der Türkei und den USA gebaut. Jetzt hat Römhild seine Heimat gefunden. Mit Frau und fünf Kindern wohnt der Leiter des Kraftwerks Moorburg in Hamburg. 2500 Mitarbeiter von verschiedenen Zulieferern aus unterschiedlichen Ländern arbeiten auf dem 23 Hektar großen Gelände der bedeutendsten industriellen Baustelle der Stadt. Bislang wurden rund 360 000 Kubikmeter Beton und 75 000 Tonnen sogenannter Bewehrungsstahl verbaut.

Auf dem Grundstück wird gehämmert, geschliffen und geformt. Ein Rundgang auf dem Areal ist nur mit Schutzkleidung und Helm erlaubt. Zwei riesige Kreislager, also Betonspeicher, mit 110 Meter Durchmesser und 60 Meter hoher Kuppeldecke aus Holz warten bereits darauf, dass sie bald die Kohle aufnehmen können, aus der am Ende Strom und Wärme erzeugt werden. "Jedes der Kohlekreislager kann bis zu 160 000 Tonnen des Rohstoffs fassen", sagt Burkhard Römhild. Das hört sich gigantisch an - aber bei vollem Betrieb reichen die 320 000 Tonnen gerade für einen Monat aus.

Transportiert wird der Rohstoff über gigantische Förderbänder, erst ins Kreislager, danach zu einem Zwischenbau, aus dem der Brennstoff an die beiden Kessel A und B verteilt wird. Bevor die Kohle ins Feuer kommt, wird sie staubfein gemahlen. "Damit wird eine gleichmäßige, saubere Verbrennung erreicht", sagt Oberbauleiter Richard Warzawa. Die Wärme aus der Verbrennung erzeugt in den Kesseln den Dampf zum Antrieb der Turbinen, die über die Generatoren Strom erzeugen. Beide Blöcke verfügen über Niedrigdruckturbinen mit Endstufenschaufeln aus Titan, deren Spitzen mit einer Geschwindigkeit von 2700 Kilometern pro Stunde laufen. "Man kennt das Prinzip von den alten Dampfmaschinen wie der Eisenbahn mit Kohlebefeuerung", sagt Warzawa - und untertreibt angesichts der Megaanlage ein wenig.

Aber Kohle ist nicht zu 100 Prozent brennbar, am Ende bleiben Flug- und Nassasche übrig. Diese Schlacke wird über ein Wasserbad unter dem Kessel gekühlt und an die Baustoffindustrie verkauft.

Nach den ursprünglichen Planungen hätte der erste Kraftwerkskessel schon in den nächsten Wochen in Betrieb genommen werden sollen. Nun peilt Römhild für beide Blöcke das Jahr 2013 an. Doch selbst dieser Zeitplan muss noch nicht endgültig sein. Auch wie teuer die 1650 Megawatt starke Anlage am Ende wird, die 90 Prozent des Hamburger Strombedarfs decken soll, ist ungewiss. Denn die beiden rund 65 000 Tonnen schweren Kessel der Anlage könnten sich als funktionsuntüchtig erweisen.

Gebaut wurden sie von dem Unternehmen Hitachi Power, das vor einigen Jahren einen Bereich der deutschen Firma Babcock-Borsig übernommen hatte. Für die Kessel wurde eine neu entwickelte Stahllegierung verwendet, die sich im Nachhinein als untauglich erwiesen hat. In anderen Kraftwerken etwa in Neurath oder Boxberg, die im Bau weiter fortgeschritten sind als Moorburg, wurden während der Inbetriebsetzung kleine Risse entdeckt. Jetzt müssen Teile der Kessel auch in Moorburg ausgetauscht werden.

Wann der Ersatz geliefert werden kann, weiß zurzeit noch niemand. Die Kosten, die bislang von Vattenfall auf 2,6 Milliarden Euro für die gesamte Anlage taxiert wurden, könnten deshalb in Richtung drei Milliarden Euro steigen. Weitere 20 Millionen Euro kostet die Umsetzung der architektonischen Vorgaben der ehemaligen schwarz-grünen Hamburger Regierung. Unter anderem wies sie Vattenfall an, einige Teile des Baus am Hafen mit einer Klinkerfassade zu versehen. Steine, die vornehmlich Wohnhäuser schmücken und nur ganz selten Industriebauten.

Nach dem Regierungswechsel hat sich der neue Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) schnell zu dem Kohlekraftwerk und der geplanten Lieferung von Fernwärme aus Moorburg bekannt. "Die Befürworter des Kraftwerks werden mehr", sagt der Hamburger Vattenfall-Chef Pieter Wasmuth. Doch es gibt immer noch genug Gegner mit bedachten Argumenten. Die Umweltschutzorganisation BUND etwa hat vorgerechnet, dass sich nach dem Anfahren des Kraftwerks der CO2-Ausstoß in Hamburg um mindestens acht Millionen Tonnen erhöht. "Das ist die doppelte Menge des vom Hamburger Straßenverkehr verursachten Ausstoßes", sagte BUND-Sprecher Paul Schmid. "Die vom Kraftwerk verursachten Staubemissionen werden auch in Wilhelmsburg unterhalb der Irrelevanzgrenze liegen", sagt hingegen Kraftwerksleiter Römhild. Der Mann ist fest entschlossen, das Hamburger Kohlekraftwerk ans Netz zu bringen. Die Verspätungen wegen der Kessel muss er jedoch in Kauf nehmen.