Die Opposition hat vor der entscheidenden Sparklausur Sozialsenator Dietrich Wersich schwer unter Beschuss genommen.

Hamburg. Gut eine Woche vor der entscheidenden Sparklausur des schwarz-grünen Senats hat die Opposition Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) gestern in der Bürgerschaft schwer unter Beschuss genommen. "Wenn Sie Ihre Behörde jetzt dazu anhalten, Bürger über ihre gesetzlichen Ansprüche zu täuschen, dann ist das wohl der gröbste Verstoß gegen die Amtspflicht, die ein Sozialsenator begehen kann", sagte SPD-Familienexpertin Carola Veit. Sie bezog sich auf eine Zehn-Punkte-Liste, in der Wersich den Wohlfahrtsverbänden angesichts des Spardrucks "ordnungspolitische Grundlagen" empfiehlt, unter anderem den "Aufbau von Hürden für die Inanspruchnahme von Leistungen".

Das sei "der wohl traurigste Satz, den jemals ein Sozialsenator in Hamburg aufgeschrieben hat", sagte Veit. "Das bedeutet nichts anderes, als dass Sie Berechtigte abhalten wollen, die gesetzlichen Leistungen auch in Anspruch zu nehmen." Kersten Artus (Linke) forderte den Verzicht auf Kürzungen. Angesichts der Wirtschaftskrise benötige die Stadt ein "Konjunkturprogramm im Sozialbereich".

Der Sozialsenator verteidigte sich energisch. Schon das von der SPD angemeldete Thema der Aktuellen Stunde, "Wersichs Streichliste", sei nicht nachvollziehbar. "Welche Streichliste? Ich kenne diese Liste nicht", sagte Wersich. Es gehe auch gar nicht um Kürzungen, sondern darum, den weiteren Anstieg des Sozialetats im Zuge der Finanzkrise zu verhindern. Darüber sei er mit den Sozialverbänden wie AWO, Caritas, DRK oder Diakonie im Gespräch. Das sei im Gegensatz zur Vorlage einer Streichliste ein neuer Ansatz. Dass der SPD-Sozialexperte Dirk Kienscherf ihm dennoch vorgeworfen hatte, er sei "asozial", "zündele" und lasse die Schwachen "bluten", wies Wersich als verbale "Blutgrätsche" zurück.

Allerdings hatte die Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, in der die Träger zusammengeschlossen sind, jüngst kritisiert, Wersichs "Goldene Regeln" seien "faktisch eine Aufforderung zu massiven Eingriffen", die man nicht akzeptiere. Grundsätzlich seien die Verbände aber zur Zusammenarbeit bereit.

Hamburg fehlen bis 2013 sechs Milliarden Euro an Steuereinnahmen, die über Kredite ausgeglichen werden. Die Zinsen dafür in Höhe von mehr als 500 Millionen Euro sollen jedoch im laufenden Haushalt eingespart werden. Wo und wie, will der Senat am 27. November verkünden. Da der Etat der Soziabehörde mit 2,4 Milliarden Euro fast ein Viertel des Jahreshaushalts der Stadt ausmacht, wird er stark betroffen sein. Aufgrund der schwierigen Verhandlungen mit den Verbänden gilt es aber als möglich, dass die Sparziele der Sozialbehörde nicht bis zum 27. festgezurrt werden.

Angesichts dieser unklaren Lage warf der CDU-Sozialpolitiker Stephan Müller (CDU) der Opposition "Stochern im Nebel" vor. Klar sei nur, dass angesichts der Finanzlage der Stadt keine Behörde um Einsparungen herumkomme. Müller: "Die Wirtschaftskrise ist bei allen angekommen, nur nicht bei der SPD." Für Empörung bei SPD und Linkspartei sorgte Christiane Blömeke (GAL), die der Opposition "Hetze" vorwarf und appellierte, erst im Dezember über das Thema zu diskutieren, wenn die Sparbeschlüsse vorlägen. "Ist das Ihr neuer Stil?", sagte Joachim Bischoff (Linke). "Na dann gute Nacht."