Mitte-Chef Markus Schreiber (SPD) fürchtet, dass 800 Stellen wegfallen und Bürger länger warten müssen.

Hamburg. Das den Bezirken vom Senat verordnete Sparprogramm wird zum Streitfall. Einige Bezirke lehnen es nach Abendblatt-Informationen ab, daran mitzuarbeiten. Andere weigern sich zumindest, in gewissen Bereichen Geld zu sparen. Eine Gesamtsparliste gibt es noch nicht. Sie sollte ursprünglich bis morgen fertig sein. Bis zum Jahr 2014 sollen alle sieben Hamburger Bezirksämter mehr als 118 Millionen Euro einsparen. Das sehen die "Konsolidierungsoptionen" der Finanzbehörde vor. Von 2015 an sollen dann noch jährlich weitere 34 Millionen Euro gespart werden.

"Im Klartext bedeutet dies, dass in allen Bezirken zehn Prozent beim Personal eingespart werden müssen", sagt Markus Schreiber (SPD), Amtsleiter im Bezirk Mitte. Die Rechnung sei ganz einfach: Weil die Bezirke nur 15 Prozent ihrer Ausgaben für Sachkosten, jedoch 85 Prozent für die Bezahlung der Mitarbeiter aufbringen müssten, würde auf diesem Gebiet auch am meisten gespart werden müssen. Schreiber: "Das heißt, in allen sieben Bezirken würden 800 Mitarbeiter eingespart werden müssen." Das wären so viele Stellen wie in einem kompletten kleineren Bezirksamt. Die sieben Hamburger Bezirke haben zusammen rund 7000 Mitarbeiter.

Schreiber: "Diese Kürzungen kommen dann auch direkt beim Bürger an; der wird es am schnellsten merken. Man muss dann länger auf Sozialhilfe oder einen Trauungstermin warten; Bebauungspläne würden nicht so schnell bearbeitet werden. Das ist die konkrete Folge, denn anders als beim Personal lassen sich die Einsparungen nicht ermöglichen." Kundenzentren könnten zusammengelegt werden müssen und dann nicht mehr effektiv arbeiten. Im Bezirk Mitte laufe schon seit dem Jahr 1995 ein Sparprogramm. Schreiber: "Wir sind am Ende angekommen." Besonders hart würde es den sozialen Bereich treffen. Ein Bereich, der mit dem Fall des Babys Lara (*) immer noch für Aufsehen sorgt. Die stark untergewichtige Lara war im März trotz behördlicher Betreuung gestorben. Schon vorher - im September 2008 - hatten die Mitarbeiter des Allgemeinen Sozialen Dienstes einen Hilferuf in Form einer "kollektiven Überlastungsanzeige" an die Sozialbehörde geschickt.

322 Mitarbeiter - fast alle Beschäftigten des ASD Wilhelmsburg - hatten die Überlastungsanzeige unterschrieben. Schreiber: "Wenn auch hier gespart wird, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass in dem Bereich wieder etwas Schlimmes passiert." Gemeint ist: Die Gefahr, dass betreute Kinder in Hamburg sterben, könne steigen. Die Möglichkeit, den ASD zum Schonbereich zu erklären, sieht der Bezirkschef nicht. "Was ist dann mit den anderen Bereichen? Wenn wir beim ASD nicht sparen, müssen wir in anderen Bereichen wie dem Jugendamt und der Kindertagesbetreuung noch mehr sparen. Das hätte auch dramatische Folgen."

Schon über den Ablaufplan der geforderten "Konsolidierungsoptionen" (zu Deutsch: Sparvorschläge) hat es nach Abendblatt-Informationen heftigen Streit gegeben. So habe es anfangs von der Finanzbehörde noch geheißen, das Programm solle in den ersten Jahren ohne Kontrolle laufen. Doch dann habe die Senatskanzlei die Einsparvorschläge verbindlich gefordert. Und einige Bezirke haben, so heißt es, sich erst nach Einzelgesprächen mit den Amtsleitern dazu bereit erklärt. Doch auch danach sei der Streit weitergegangen.Die Streichungen im sozialen Bereich entwickeln sich zum größten Streitpunkt: Denn bisher weigern sich einige Bezirkschefs, hier überhaupt Sparvorschläge zu machen. Diese wolle nun die Finanzbehörde erarbeiten und den Bezirken vorsetzen. "Uns wird dann im sozialen Bereich die Pistole auf die Brust gesetzt", heißt es dazu in einem Bezirk.

Nach dem Ablaufplan hätten schon längst die Vorschläge der Bezirke zusammengefasst werden müssen. Schreiber: "Doch bisher sind nicht alle Vorschläge eingegangen." Auch der "Reservetermin" am gestrigen Montag sei verstrichen. Nun sollen während der Senatsklausur am Dienstag kommender Woche die Konsolidierungsoptionen auf den Weg gebracht werden.