Jeder zehnte Bedienstete könnte seinen Job verlieren. Neue Strukturen haben Vorrang. Ämter sollen zusammengelegt werden.

Die Dimensionen sind gewaltig. 1,67 Milliarden Euro Schulden macht Hamburg dieses Jahr - mehr als je zuvor in seiner Geschichte. Doch damit nicht genug: 2010 steigt diese Summe gar auf 1,85 Milliarden, bis 2013 werden insgesamt sechs Milliarden Euro aufgenommen. Allein die dafür anfallenden Zinsen würden der Stadt auf Jahre jeglichen finanziellen Spielraum nehmen, denn sie müssen aus den laufenden Einnahmen bezahlt werden.

Wenn auf der Sparklausur des Senats kommende Woche die Frage beantwortet wird, woher das Geld zum Stopfen der riesigen Lücken im Haushalt kommen soll, wird daher auch ein radikaler Ansatz diskutiert: strukturelle Veränderungen statt Rasenmähermethode. Welche Leistungen soll die Stadt noch erbringen? An wie vielen Stellen? Mit wie vielen Mitarbeitern? Alles kommt auf den Prüfstand - darüber sind CDU und GAL sich einig.

"Die Qualität der erbrachten Leistungen muss vorgehen, nicht die Zahl der Standorte", sagt Rüdiger Kruse dem Abendblatt. Der Finanzexperte der CDU-Fraktion ist einer der Vordenker in der Koalition, wenn es darum geht, Liebgewonnenes infrage zu stellen. "Braucht wirklich jeder Bezirk ein Bauamt? Es ist für einen Häuslebauer doch egal, ob er drei Kilometer weiter fahren muss, wenn er dafür eine gute Dienstleistung bekommt", nennt er einen Punkt. Auch Gartenbauabteilungen müsse es nicht flächendeckend in der Stadt geben. Kruse sieht aber auch Einsparpotenzial in den Zentralbehörden: "Wenn die Schulen im Zuge der Reform mehr Kompetenzen erhalten, braucht man zum Beispiel weniger Personal in der Verwaltung der Schulbehörde." Alles in allem kommt er zu dem Schluss: "Hamburg hat 75 000 Beschäftigte, aber mit 7500 weniger kommen wir auch aus." Von den 3,5 Milliarden Euro, die die Stadt laut Finanzbehörde jährlich für Personal ausgibt, ließen sich so mittelfristig 350 Millionen im Jahr sparen - deutlich mehr als die Zinsen für die neuen Kredite. Die Stadt hätte wieder finanziellen Spielraum.

Kruse ist sich bewusst, dass er für seine provokante These auch Prügel beziehen wird. Er könnte es gelassen sehen, weil er gerade direkt in den Bundestag gewählt wurde und sein Bürgerschaftsmandat demnächst aufgibt. Doch die Diskussion ist ihm wichtig. "Wenn wir alle Strukturen lassen, wie sie sind, müssen wir mit dem Rasenmäher durch die Behörden gehen und die Qualität aller Leistungen einschränken. Das könnte weniger Polizisten auf den Straßen, weniger Lehrer, weniger Sozialarbeiter, weniger öffentliche Kultur bedeuten."

Das würde aus seiner Sicht jedoch der schwarz-grünen Politik zuwiderlaufen. Kruse: "Wir haben Schwerpunkte gesetzt in den Bereichen Schule und Bildung, wir haben Hamburg zur Musikstadt erklärt. Sollen wir das alles wieder zurückdrehen?" Er plädiert daher auch dafür, am Kulturhaushalt gar nicht zu sparen, sondern ihn sogar kräftig aufzustocken. Aus der CDU-Fraktion bekomme er Unterstützung für seinen Kurs, sagt Kruse. "Das Bewusstsein ist da, dass man nicht weitermachen kann wie bisher." Auch im Senat scheint sich diese Haltung durchzusetzen. "Es gibt keine Tabus", sagt Senatssprecherin Kristin Breuer vor der zweitägigen Klausur, die am Dienstag im Rathaus beginnt.

Denkverbote gibt es auch bei der GAL nicht. "Ich bin sehr dafür, dass man Schwerpunkte setzt und nicht mit dem Rasenmäher spart", sagt Fraktionschef und Finanzexperte Jens Kerstan dem Abendblatt. Die GAL habe sich von dem Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) beraten lassen und sämtliche Behördenhaushalte nach Einsparpotenzial durchleuchtet. Motto: "Was ist gut für die Wirtschaft, was für die Umwelt, was für den sozialen Zusammenhalt in der Stadt? Alles, was nicht diese Kriterien erfüllt, kommt auf den Prüfstand", sagt Kerstan. "Und da sind wir durchaus fündig geworden." Tendenz: "Bevor wir Leistungen für die Bürger einschränken, sollten wir uns die Strukturen und Abläufe in den Behörden angucken und wo sie sich mit sich selbst beschäftigen." Ob und inwiefern daraus ein Abbau von Ämtern oder Personal resultiere, sei aber offen.

Nachdem die Steuereinnahmen der Stadt infolge der Finanzkrise dramatisch eingebrochen waren, wurden alle Behörden Ende September aufgefordert, Sparvorschläge zu machen.

Die Zinsen für die neuen Kredite betragen 2010 nach Angaben der Finanzbehörde etwa 80 Millionen Euro. Die werden zunächst aus Rückstellungen beglichen, was angesichts der anwachsenden Zinslast in den Folgejahren nicht möglich sein wird. Außerdem müssen 100 Millionen Euro pro Jahr eingespart werden, die aus den Verlusten öffentlicher Unternehmen resultieren. So zahlt unter anderem die HSH Nordbank 2009 keine Dividende an die Stadt.

Dass am Mittwoch schon eine Streichliste vorgelegt wird, glaubt GAL-Fraktionschef Kerstan nicht. Dafür müssten noch die November-Steuerschätzung und die Beschlüsse der neuen Bundesregierung abgewartet werden.