Der voraussichtlich wirkungslose Bürgerentscheid zum Buchenhof-Wald ist in Hamburg bisher wohl einmalig.

Hamburg. Seit 1998 gibt es in den Hamburger Bezirken Bürgerentscheide - doch einen solchen "Extremfall" wie der voraussichtlich wirkungslose Bürgerentscheid zum Buchenhof-Wald in Altona ist nach Auffassung von Rechtsexperten bisher einmalig. Die SPD in der Hamburger Bürgerschaft will daher den Fall Altona zum Anlass nehmen, um die aktuellen Regelungen zu hinterfragen. Das fordert jetzt SPD-Innenpolitiker Andreas Dressel, der über Parteigrenzen hinweg als ausgewiesener Experte in Sachen Bürgerentscheid und direkte Demokratie gilt und 2003 über das Thema promoviert hat.

Mit dem Abendblatt sprach der 34 Jahre alte Jurist über Folgen des Entscheids und Erfahrungen in anderen Bezirken. Zur Erinnerung: Die Bürger in Altona waren zur Abstimmung aufgerufen, knapp 50 000 beteiligten sich, rund 130 000 Euro kostete das Verfahren - doch jetzt will das Bezirksamt den Bürgerentscheid rechtlich beanstanden. Obwohl rund 41 000 Wahlberechtigte sich dabei für den Erhalt des Buchenhof-Waldes an der Osdorfer Landstraße votierten, wäre die Abstimmung wirkungslos. Es sei denn, der Senat entscheidet anders.

Abendblatt: Herr Dressel, Sie waren Politiker in der Bezirksversammlung Wandsbek, heute sind Se es in der Bürgerschaft: Nerven da Bürger- und Volksentscheide nicht manchmal oder lähmen sie gar notwendige Entscheidungen?

Dressel: Nein, es geht da nicht um Lähmung und immer nur um die Durchsetzung der Interessen weniger. Die Erfahrung zeigt, dass eben nicht überall nur nach dem St.-Florians-Prinzip gehandelt wird, sondern, dass es durchweg sehr hohe Beteiligungen gibt und sich viele einmischen wollen - so wie jetzt auch in Altona:

Abendblatt: Also ein Anhänger der direkten Demokratie?

Dressel: Absolut. Wie gesagt, die Erfahrung mit den Bürgerentscheiden hat gezeigt, dass sie oft die Kommunikationsblockade zwischen Verwaltung, Politik und Bürgern auflösen können. Sie bieten daher vielmehr häufig die Chance für einen guten Kompromiss, bei dem sich auch die Bürger wieder besser beteiligt fühlen.

Im Übrigen gibt es nicht nur Verhinderungsbegehren und -entscheide. In Wandsbek hatten wir beispielsweise auch Bürgerbegehren, die explizit für ein neues Projekt waren.

Abendblatt: Nun will oder muss die Bezirksverwaltung in Altona den erfolgreichen Bürgerentscheid rechtlich beanstanden. Begründung ist, dass es für die geplante Bebauung eine Genehmigung gibt, die jetzt nicht durch den Entscheid wirkungslos gemacht werden kann.

Dressel: Die Beanstandung eines erfolgreichen Bürgerentscheids ist in Hamburg tatsächlich ein bisher einmaliger Vorgang. Und mit dieser Situation ist auch keinem gedient: Die Bürger fühlen sich hintergangen, was zu mehr Politikverdrossenheit führt. Aber auch Verwaltung und Politik sind in einer sehr zwiespältigen Situation, weil der Entscheid ja eine eindeutige Botschaft hat.

Abendblatt: Hätte man sich das ganze Verfahren denn nicht besser sparen können?

Dressel: Das ist rechtlich schwierig, das Altonaer Bezirksamt bezieht sich dabei auf ein Gerichtsurteil, wonach die Prüfung der Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens nur auf wenige Gründe beschränkt ist und im Übrigen erst am Schluss des ganzen Verfahrens die Möglichkeit der Beanstandung bleibt. Ich halte das für problematisch, und wir sollten diesen Fall zum Anlass nehmen, um auf Landesebene mit allen Beteiligten darüber zu diskutieren, ob das Verfahren nicht anders geregelt werden müsste.

Abendblatt: Sie sehen aber auch die rechtliche Beanstandung als problematisch?

Dressel: Ja. Ein Bezirksamt kann den Beschluss einer Bezirksversammlung beanstanden. Die kann ihre Entscheidung dann korrigieren, bei einem Bürgerentscheid ist das aber nicht möglich. Der Bürgerentscheid kann sich ja nicht selbst korrigieren. Die Verfahren sind nicht übertragbar. Das müssen wir hinterfragen.

Abendblatt: Wie werten Sie die relativ hohe Beteiligung bei diesem Bürgerentscheid?

Dressel: Gerade in Zeiten sinkender Wahlbeteiligung ist das sehr positiv. Und es ist im Übrigen eine Erfahrung, die wir bei vielen Bürgerentscheiden in Hamburg schon gemacht haben. Das zeigt, dass die Sorge bisher unbegründet ist, wonach mit diesem Instrument ausschließlich Nachbarschaftsinteressen durchgesetzt werden, weil einfache Mehrheiten reichen. Die hohe Beteiligung ist vielmehr ein Beweis dafür, dass die Bürger über den Tellerrand eines Stadtteils hinausgucken und mitentscheiden wollen. Wenn das nun wie in Altona vergebens war, schafft das Frust. Vor allem die GAL muss sich da fragen, warum sie auf Landesebene auf Verbindlichkeit von Volksentscheiden dringt, im Bezirk in diesem Fall aber anders handelt. Das ist ein Widerspruch, den die GAL den Bürgern erklären muss.