Amt verständigt sich mit Großeltern auf Betreuung und erwartet, dass der Junge nun auftaucht. Zirkusmutter erhielt 4644 Euro pro Monat.

Hamburg. Zwei Wochen nach Jeremies Verschwinden kommt Bewegung in den Fall. Ein Familiengericht verhandelte gestern über den elf Jahre alten Ausreißer. Es sei eine "einvernehmliche Betreuungslösung" vereinbart worden, sagte eine Sprecherin des Bezirksamts Hamburg-Mitte.

Daher gehe die Behörde davon aus, "dass Jeremie kurzfristig wieder auftaucht" und dass es dem Jungen gut gehe: "Man kann davon ausgehen, dass er nicht durch kalte Winternächte irrt." Wo sich der Elfjährige aufhalte, wisse das Bezirksamt aber nicht. Die Polizei hatte in den 13 Tagen nach seinem Verschwinden Dutzende Wohnungen durchsucht, in denen Mitglieder der Großfamilie leben, zu der Jeremie gehört. Über Einzelheiten des Gerichtstermins sei Stillschweigen vereinbart worden, sagte die Sprecherin. Es ging nicht nur um Besuchsrechte der Großeltern, sondern auch ums Sorgerecht.

Jeremie soll am 20. November im Kleintransporter einer Zirkusfamilie, bei der ihn das Jugendamt Hamburg-Mitte unterbringen ließ, von Lübtheen in Mecklenburg-Vorpommern nach Hamburg geflohen sein. In Billstedt lebte er früher bei seinen Großeltern.

Parallel zum Gericht befasste sich gestern Abend auch der zuständige Ausschuss der Bürgerschaft mit dem Fall. Unter anderem interessierten die Abgeordneten die Kosten für die Maßnahme. Walter Scheuerl, parteiloser Abgeordneter der CDU-Fraktion, hatte beim Träger abgefragt, wie die 7400 Euro monatlichen Kosten für den Jungen eingesetzt worden sind. Aus Scheuerls Sicht besonders bemerkenswert ist der Anteil der Kosten, der auf die Zirkusmutter entfällt. Das sind, ausweislich eines Schreibens des Neukirchener Erziehungsvereins an den Abgeordneten, 4644,75 Euro als Arbeitgeber-Personalkosten. Scheuerl kritisierte außerdem die Maßnahme an sich. Es sei angesichts dessen, dass Jeremie aus dem Zirkus geflohen sei, doch sehr klar, dass "einiges im Argen" gelegen habe. Peter Marquard, Leiter des Jugendamts im Bezirk Hamburg-Mitte, verteidigte die Maßnahme. Diese sei speziell für Jeremie ausgesucht worden. Und der Junge habe sich im Zirkus - wenn auch nicht optimal - doch sehr gut entwickelt.

Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) betonte am Rande des Ausschusses, dass er selbst viele Fragen zur Unterbringung des Jungen und zu den weiteren zwölf Kindern und Jugendlichen habe, die derzeit vom Träger aus Nordrhein-Westfalen betreut werden. "Wir haben Zweifel an den Qualifikationen des pädagogischen Personals", sagte Scheele. Er hatte schon am Montag eine Überprüfung vergleichbarer Fälle angeordnet. Christiane Blömeke (Grüne) kritisierte, Scheele mache es sich zu einfach, wenn er die Verantwortung an die freien Träger abgebe. "Es gilt gemeinsam Lösungen und Angebote für Hamburg zu entwickeln, denn der Fall Jeremie hat Lücken aufgedeckt, die wir nicht hinnehmen dürfen."