Große Maras sind nach den Wasserschweinen die zweitgrößten lebenden Nagetiere. So unschuldig weiß wie Perle kommen nicht alle daher.

Hamburg. So etwas hat man selbst hier noch nicht gesehen, auch wenn exotische Tiere seit mehr als 100 Jahren die Spezialität von Hagenbecks Tierpark sind: Vor drei Wochen kamen zwei Große Maras im Tierpark zur Welt - schneeweiß gefärbt. Normalerweise ist das Fell der Nagetiere hell- bis mittelbraun. Und doch sind die beiden Jungtiere keine Albinos: "Sie haben braune Augen und keine roten", sagt Reviertierpfleger Volker Friedrich sichtlich verdattert. Spontan befragte er altgediente Kollegen, doch keinem war eine solche Farbabweichung bisher untergekommen, bis Perle und ihr Bruder Flocke den Rasen des Tierparks betraten.

Dem Großen Mara, einer aus Argentinien stammenden Nagetierart, sieht man seine Verwandtschaft schon im Normalzustand schwer an: Mit seinem Aussehen irgendwo zwischen Hase und Reh gehört er tatsächlich zur Familie der Meerschweinchen. Große Maras sind, nach den Wasserschweinen, die zweitgrößten lebenden Nagetiere. So unschuldig weiß wie Perle kommen nicht alle daher. "Irgendwie erinnert sie mich an unsere Zwergkaninchen", sagt Zootierärztin Dr. Ariane Prahl, und selbst die erfahrene Veterinärin bekommt plötzlich einen viel weicheren Tonfall, wenn sie von den beiden Weißlingen spricht: "Sie sind viel hübscher als die Maras sonst." Noch viel hübscher, könnte man sagen, denn die 17 im Tierpark freilebenden Nagetiere sind echte Besucherlieblinge. Allerdings hat sich hier ihr zweiter Name - Pampashase - durchgesetzt, und der wird gerade von kleineren Kindern gerne wie eine Windelmarke ausgesprochen. Mit viel Gekicher dabei.

Die rund 70 Zentimeter langen und etwa acht Kilo schweren Tiere mit den verhältnismäßig langen, dünnen Beinen und den großen Augen und Ohren leben normalerweise im Grasland und der Steppe. Bei Hagenbeck dürfen sie sich im Tierpark frei bewegen, wovon sie auch fleißig Gebrauch machen - das eine oder andere hat über die Jahre auch den Weg durch die Drehtüren am Ausgang gefunden, wie Nachbarn des Tierparks nur zu gut wissen.

Die Eltern von Perle und Flocke, wie alle Maras monogam auf Lebzeit verpaart, haben ihre Wurfhöhle direkt neben dem Gehege der Alpakas angelegt. Hier kamen die beiden etwa 500 Gramm schweren Jungtiere nach 100 Tagen Tragzeit zur Welt. Nachmittags gegen 15 Uhr kommen sie immer zum Spielen raus, dann sieht man sie gut", sagt Friedrich. Ansonsten seien sie noch sehr auf den Bau fixiert. Doch das wird sich schon bald ändern: Ab Woche vier fangen Marajungen an, ihren Eltern ins Gelände zu folgen, auch wenn sie noch mindestens einen weiteren Monat gesäugt werden.

Einmal von der Muttermilch entwöhnt, sind die Tiere opportunistische Pflanzenfresser, die unter anderem Gräser, Kräuter, aber auch Büsche fressen. In Hagenbecks Tierpark sieht man sie deshalb fast das gesamte Jahr über auf den großen Wiesenflächen, wo sie auch schon einmal ein Sonnenbad nehmen - oder sich, wenn es sich um ein zutraulicheres Exemplar handelt, eine Möhre oder ein Kohlrabiblatt aus der Hand eines Besuchers schmecken lassen. "Im Winter füttern wir sie dann in einigen versteckten Häuschen im Park, die auch mit Wärmelampen ausgestattet sind", sagt Friedrich.

Ansonsten haben die Pfleger und auch die Tierärzte bei Hagenbeck aber fast keinen Kontakt zu den Maras. "Wenn nicht eines augenscheinlich krank ist oder in einen anderen Zoo abgegeben werden soll, lassen wir sie in Ruhe", sagt Adriane Prahl. Das Einfangen eines der Tiere ist, wenn es einmal nötig wird, dann auch dementsprechend schwierig: Über kurze Strecken können Pampashasen Geschwindigkeiten von bis zu 45 Kilometer pro Stunde erreichen.

In Ruhe gelassen, sieht man Maras dagegen gerne gemächlich rasten - entweder im Sitzen oder im Liegen mit katzenartig unter der Brust verschränkten Vorderbeinen. Dabei verständigen sich die Nagetiere, deren Nagezähne übrigens zeitlebens nachwachsen, in friedlicher Absicht mit Quietschlauten und im Bedrohungsfall mit einem Grunzen. Soll das Drohen noch eindringlicher werden, wird schnell noch das etwas borstige Fell gesträubt und zur Krönung mit den Zähnen geklappert.

Perle und Flocke haben das noch nicht nötig. Im Schutz von Mama und Papa sind die beiden bestens aufgehoben - auch wenn sie in freier Wildbahn rein optisch in der grün-braunen Umgebung leichte Beute für Raubtiere wären. Volker Friedrich sieht die besondere Fellfarbe aber auch noch aus einem anderen Blickwinkel: "Indianer haben weiße Bisons als heilig verehrt." Na dann: Howgh!

Lesen Sie nächste Woche: Raffaello, die Fransenschildkröte