Die Schlacht um sein Amt kann Bundespräsident Christian Wulff nicht mehr gewinnen

Die Entscheidung war schwer. Wahrscheinlich die schwerste, die die zuständigen Staatsanwälte in Hannover je in ihrem Leben getroffen haben. Sollen sie die Aufhebung der Immunität von Christian Wulff beantragen - immerhin als Bundespräsident der Mann, der das höchste und ehrenvollste Amt innehat, das die Bundesrepublik Deutschland zu vergeben hat? Immerhin geht es um den Anfangsverdacht auf Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung, also um Korruption.

Ein solches Verfahren hat es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht gegeben - und die Justiz musste so handeln, obwohl es um den Bundespräsidenten geht, für den im Übrigen auch weiterhin die Unschuldsvermutung gilt wie für jeden Staatsbürger, gegen den die Justiz ein Ermittlungsverfahren anstrengt. Vor dem Gesetz sind alle gleich - das gilt selbstverständlich auch für den Ersten Mann im Staat. Die Justiz wusste aber auch, dass sie schon mit ihrem Antrag auf Aufhebung der Immunität ein politisches Erdbeben auslösen würde.

Diese Schlacht kann Christian Wulff nicht mehr gewinnen. In Wahrheit hat er sie schon längst verloren - auch ohne den spektakulären Schritt der Justiz. Er hat sich immer wieder in Widersprüche verwickelt, musste selber zugeben, nicht immer die volle Wahrheit gesagt zu haben - ohne dabei direkt falsche Angeben gemacht zu haben.

Manches an dem, was ihm vorgeworfen wurde, war mehr als kleinkariert - das ominöse Bobby-Car-Geschenk hat es zu trauriger Berühmtheit gebracht. Und so wird auch über die Rolle der Medien, die sich teilweise zu unerbittlichen Moralaposteln aufschwangen, noch zu reden sein. Da waren auch viele vorschnelle Kommentare dabei, Häme gewiss auch. Begleitmusik, die so nicht nötig war. Grundsätzlich aber bleibt: Es ist die Aufgabe der Medien, zu recherchieren und aufzuklären. Diese Pflicht endet auch nicht vor den Toren von Amtssitzen.

Es waren aber die Halbwahrheiten, mit denen Christian Wulff, dessen Verteidiger so gerne die Würde des Amtes beschworen, selber den Vertrauenskredit verspielt hat. Es reicht für einen Politiker nicht, sich gerade noch diesseits des Grenze des Rechts aufzuhalten. Er muss ein leuchtendes Beispiel für die Verteidigung des Rechts sein.

Ein Politiker, insbesondere der Erste Mann des Staates, kann mit Entschuldigungen allein nicht auf Milde hoffen - wie ein reuiger Kleinkrimineller vor dem Amtsgericht.

Von einem Politiker, dem Bundespräsidenten zumal, darf der Bürger erwarten, dass er zweifelsfrei lebt und arbeitet. Gratis-Urlaube bei vermögenden Freunden gehören dazu ganz gewiss nicht - wo jedem kleinen Beamten, der Geschenke annimmt, die mehr als zehn Euro wert sind, ein Verfahren droht.

Jedes Amt in einer Demokratie ist vom Bürger dem Inhaber anvertraut worden, ist anvertraute Ausübung von Macht, was im Übrigen nicht nur für Politiker gilt, sondern für jeden Beamten - für einen Polizisten genauso wie für einen Professor. Das beinhaltet auch immer, dass der Inhaber eines Amts dieses Vertrauen rechtfertigt.

Christian Wulff hat dieses Vertrauen schon länger verspielt - und damit auch den richtigen Zeitpunkt für einen Rücktritt.

Und es wird, leider ist das so, mit jedem Tag schlimmer. Für ihn, das Amt, den Staat.