HAP Grieshaber, Holzschnitt, 1966

Im Fuldaer Bischofspalais mit seinen barocken Räumen und Gemälden aus dem 17. und 18. Jahrhundert bilden in meinem Arbeitszimmer drei signierte Farbholzschnitte aus HAP Grieshabers "Totentanz" einen ebenso deutlichen wie gewünschten Kontrast. Vor gut 30 Jahren konnte ich sie kaufen und mir damit einen großen Wunsch erfüllen.

Besucher stehen mitunter nachdenklich fragend vor den Motiven "Der Tod und das Kind", "Der Tod und der Narr", "Der Tod und der Abt" und wollen wissen, was mir die Bilder bedeuten.

HAP Grieshaber, der am 15. Februar dieses Jahres 100 Jahre alt geworden wäre, fasste der Plan, eine ganze Totentanz-Folge zu schaffen, nach einem Besuch in Basel (1965). Dort gab es seit Mitte des 15. Jahrhunderts an der Mauer eines Friedhofs Totentanz-Fresken. Die Mauer wurde 1805 abgerissen, auf Anordnung des Magistrats heimlich während der Nacht, da die einfache Bevölkerung der Stadt an dem "Lieben Tod von Basel" hing, während die gebildeten, aufgeklärten Bürger froh waren, dass dieser mittelalterliche Spuk verschwand.

Grieshaber bewegt sich in seinen Bildern in einer Zone zwischen Expressionismus und abstrakter Kunst: Ein inhaltliches Thema wird gleichsam in eine Bildchiffre umgesetzt. Im mittleren meiner Bilder, Der Tod und der Narr, wird das deutlich: Der Narr wie der Tod, der ihn nachahmt, vollführen einen Kopfstand. Das Einzige, was im Bild aufrecht steht, ist eine stilisierte Blume zur Linken, mit einer Schellenkappe anstelle der Blüte. Es fällt auf, dass sich die Menschen, die Grieshaber in der Holzschnittfolge darstellt, nicht gegen den Tod wehren. Er gestaltet nicht den erschreckenden Augenblick, in dem der Tod plötzlich und unerwartet einen Menschen abruft. Vielmehr ist es der Tod, der vom ersten Atemzug unseres Lebens an zugegen ist, mit uns wächst und reift, der gegenwärtig ist auch in aller irdischen Lebenserfüllung, Lebenslust und Freude. Folglich konnte der Künstler diesen Totentanz in farbigen Blättern gestalten.

Die drei Bilder da in meinem Fuldaer Arbeitszimmer sind mir wichtige Begleiter geworden. Sie erinnern in einer eigenen Bildersprache an eine Realität, deren Verdrängung im Grunde fatal ist: "Mors certa hora incerta".