Darauf haben die Hinterbliebenen des Amoklaufs von Winnenden lange gewartet: Der Vater des Täters zeigt erstmals im Prozess Reue.

Stuttgart. Im Stuttgarter Prozess gegen den Vater des Amokläufers von Winnenden hat der Angeklagte unter Tränen Fehler eingeräumt. Seine Anwälte forderten trotzdem einen Freispruch , denn auch der Unternehmer und seine Familie litten furchtbar unter den Folgen der Tat. „Ich fühle mich verantwortlich für meinen Sohn Tim und für die Fehler, die ich gemacht habe“, sagte der 52-Jährige, der am Dienstag überraschend zu einem Schlusswort vor dem Landgericht erschien. „All das tut mir leid. Dass sie ihre Kinder und Männer verloren haben, dafür möchte ich allen Hinterbliebenen mein Mitgefühl aussprechen.“ In dem seit September laufenden Prozess ging der Angeklagte damit erstmals persönlich auf die Hinterbliebenen ein. Er hatte zuvor seit Oktober auf der Anklagebank gefehlt, nachdem ihn das Gericht von seiner Anwesenheitspflicht entbunden hatte.

Der Sportschütze hatte eine seiner Pistolen unverschlossen im Schlafzimmer aufbewahrt. Damit hatte sein Sohn Tim K. am 11. März 2009 bei einem Amoklauf an der Albertville-Realschule in Winnenden und auf der Flucht nach Wendlingen 15 Menschen und sich selbst erschossen. Die Staatsanwaltschaft hatte gegen den Angeklagten zwei Jahre Haft auf Bewährung beantragt - wegen 15-facher fahrlässiger Tötung, fahrlässiger Körperverletzung in 13 Fällen und wegen des Verstoßes gegen das Waffenrecht.

Aus Sicht seiner beiden Anwälte hatte der Vater zwar die Tatwaffe vorschriftswidrig aufbewahrt, das Blutbad aber nicht vorhersehen können. „Es gab keine entsprechenden Hinweise“, sagte der Verteidiger Hans Steffan. Außerdem spreche vieles dafür, dass Tim K. Zugang zum Waffenschrank und zum Munitionsschrank hatte, ohne dass dies sein Vater wusste: „Es ist davon auszugehen, dass Tim die Patronen dem Munitionsschrank entnahm.“ Der Angeklagte könne deshalb lediglich wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz verurteilt werden. „Für den Vater war die Tatgeneigtheit seines Sohnes nicht absehbar“, sagte der zweite Verteidiger, Hubert Gorka.

Die als Nebenkläger vor Gericht vertretenen Hinterbliebenen der Opfer hatten dem Unternehmer vorgeworfen, keine Reue zu zeigen und auch kein persönliches Wort des Bedauerns an sie gerichtet zu haben. Durch seine lange Abwesenheit vor Gericht habe er ihre Gefühle mit Füßen getreten. Die meisten Nebenklagevertreter hatten sich gegen eine Bewährungsstrafe ausgesprochen.

Rechtsanwalt Steffan argumentierte so: Im Prozess hätten die Gutachter dargelegt, dass psychische Auffälligkeiten, wie sie bei Tim K. vorlagen, für Außenstehende nur „extrem schwer zu erkennen sind“. Tim sei ein leidenschaftlicher Pokerspieler gewesen und habe es deshalb gut verstanden, sein Innenleben zu verbergen. Mehrfach habe sich die Zeugin widersprochen, nach deren Aussage die Eltern von der psychiatrischen Klinik, in der Tim behandelt wurde, Hinweise auf Tötungsfantasien bekommen haben.

Die Zeugin, die die Familie nach der Tat seelsorgerisch betreut hatte, habe offenkundig ihre eigene Wahrnehmung und die Darlegungen eines Gutachters im Prozess durcheinandergebracht. Für den Angeklagten spreche auch, dass dieser nach der Tat die Ermittler gleich zum Aufbewahrungsort der Mordwaffe im Elternschlafzimmer führte. Außerdem habe er alles getan, um die Aufklärung zu ermöglichen.

Aus Sicht der Staatsanwaltschaft hatte Tim K. die Munition, die er beim Amoklauf bei sich hatte, vorher angesammelt, indem er jeweils nach dem gemeinsamen Schießtraining Patronen aus der Tasche seines Vaters entwendete. Daher sei der Vater auch für die nachlässige Aufbewahrung der Munition verantwortlich. Anwalt Steffan widersprach: Da der Vater im Schützenverein mit einer anderen Waffe schoss und die beiden lediglich viermal gemeinsam beim Schießtraining gewesen seien, wäre eine so große Menge Munition nicht zusammengekommen. Der Amokschütze hatte nach Erkenntnis der Ermittler mindestens 285 Patronen und zwei Magazine dabei.