Die Cholera-Epidemie in Haiti hat nun auch die Hauptstadt Port-au-Prince erreicht. Dort starb erstmals ein Cholera-Kranker. Ärzte sind besorgt.

Port-au-Prince/Berlin/Genf. Die Cholera in Haiti droht außer Kontrolle zu geraten. In der bisher verschonten Hauptstadt Port-au-Prince starb nach Angaben des Gesundheitsministeriums am Dienstag der erste Cholera-Patient. Der wochenlange Abwehrkampf der internationalen Staatengemeinschaft nutzte nichts. In der Stadt Gonaîves im Norden starben nach Angaben des dortigen Bürgermeisters 31 Menschen an Cholera, ihre Leichen seien am Dienstag verbrannt worden, berichtete er dem Sender Radio Metropole am Mittwoch.

Auch in Port-au-Prince hat sich die Lage erheblich verschärft . Die Teams der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen hätten in der Hauptstadt bereits mehr als 200 Menschen mit schwerem Durchfall behandelt, teilte die Organisation am Mittwoch mit und sprach vom „klinischen Symptom für Cholera“. Die Behandlung erfolge daher nach den Richtlinien für diese Krankheit. In anderen Teilen des Inselstaats erlagen der Krankheit nach Angaben des Kinderhilfswerks Unicef bereits 583 Menschen, darunter viele Kinder.

„Die Lage ist bald nicht mehr kontrollierbar“, sagte der Direktor von Radio Metropole, Richard Widmaier, am Mittwoch. Innerhalb von fünf Tagen seien allein in den Straßen von Gonaîves 50 Leichen eingesammelt worden. Bürgermeister Saint Justin Pierre Louis habe um rasche sanitäre und medizinische Hilfe gebeten. Die Leichen müssten desinfiziert werden, bevor sie verbrannt würden. Für Port-au-Prince mit seinen mehr als drei Millionen Einwohnern ist dies eine große Gefahr, weil zwischen beiden Städten ein reger Verkehr herrsche, sagte Widmaier. „Wir befürchten, dass es nun gefährlich wird.“

In der Hauptstadt stand die Bestätigung für den Cholera-Erreger im Labor nach Angaben der Ärzte ohne Grenzen (MSF) noch aus. Gleichwohl gebe die Situation für die betroffenen Familien schon jetzt Anlass zu großer Sorge. In den Slums verfügen die Menschen weder über sauberes Wasser noch über Toiletten. Die Zahl der Verdachtsfälle in den vier medizinischen Einrichtungen von MSF habe seit dem Wochenende zugenommen. In diesen Zentren seien mehr als 300 Betten für die Behandlung von Cholera-Patienten reserviert worden. Der Leiter des Haiti-Einsatzes der Organisation, Stefano Zannini, sprach von einer alarmierenden Lage.

Im Norden von Haiti wurden seit dem Ausbruch der Krankheit am 20.Oktober nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bereits mehr als 8000 Patienten mit Cholera-Symptomen behandelt und geheilt. Die hygienische Situation verschlechterte sich jedoch durch Überschwemmungen nach dem Hurrikan „Tomas“ am vergangenen Wochenende .

Die Hauptstadt Port-au-Prince wurde im Januar von einem Erdbeben in Trümmer gelegt. Seitdem harrt ein großer Teil der Bevölkerung in Notunterkünften aus, in denen es aber sauberes Wasser und Toiletten gibt. Für mehrere hunderttausend Kinder, die dort und in den Armenvierteln lebten, werde jetzt jedoch die Cholera-Gefahr immer größer, warnte Unicef am Mittwoch.