Während Experten weiter über den Grund für den Ausbruch der Cholera in Haiti rätseln, sind fast 300 Menschen an der Seuche gestorben.

Saint Marc. Die Cholera-Epidemie ist noch nicht eingedämmt und so hat sich die Lage in Haiti weiter angespannt. Nach dem Angriff hunderter Menschen auf ein Behandlungszentrum für Cholera-Kranke in Saint Marc im Zentrum des Landes wurde dessen Weiterbau eingestellt, teilte die Organisation Ärzte ohne Grenzen am Mittwoch mit. Die Zahl der durch die Seuche getöteten Menschen stieg auf fast 300, während mehr als 4000 Infizierte in Krankenhäusern behandelt wurden.

Nach Angaben der Organisation Ärzte ohne Grenzen wurden die Reste der geplanten Hilfseinrichtung abgebaut, während Soldaten der UN-Mission MINUSTAH das Gebiet in Saint Marc bewachten. Hunderte aufgebrachte Anwohner hatten zuvor das Behandlungszentrum gestürmt, Zelte verbrannt und Steine auf Rettungskräfte geworfen. Die Anwohner fürchteten wegen der Nähe zu zwei Schulen, dass sich die Krankheit noch ungebremster ausbreitet, weil Kinder besonders gefährdet sind.

Das Zentrum mit rund 400 Betten für Cholera-Patienten sollte in der Nähe eines überfüllten Krankenhauses in Saint Marc eröffnet werden. Der Arzt Yfto Maquette sprach von einem „großen Missverständnis“. „Die Idee war, die Patienten aus dem überfüllten Krankenhaus zu holen, aber wir hätten erst mit den Menschen sprechen und ihnen erklären sollen, was wir tun“, sagte Maquette. „Die Tatsache, dass wir nun keine Einrichtung zur Behandlung der Menschen haben, hält uns nun von einer wirkungsvollen Behandlung ab“, erklärte ein anderer Mitarbeiter der Hilfsorganisation. „Wir müssen den Menschen erklären, dass wir Erfahrung bei der Behandlung von Cholera haben.“ Ob und wo das Zentrum nun gebaut wird, blieb unklar.

Haitis Gesundheitsministerium teilte mit, dass die Zahl der Todesopfer um acht auf 292 gestiegen sei, zudem seien 535 Neuifizierte in Krankenhäuser eingeliefert worden. Damit befanden sich 4147 Menschen in Behandlung. Nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation WHO hat die Epidemie noch nicht ihren Höhepunkt erreicht . „Wir können nicht sagen, dass sie unter Kontrolle ist“, sagte die WHO-Koordinatorin für Cholera, Claire-Lise Chaignat. Sie riet den haitianischen Behörden, sich für den Fall vorzubereiten, dass die Krankheit auf die Lager mit Erdbebenopfern rund um die Hauptstadt Port-au-Prince übergreift.

Positiv bewertete Chaignat, dass die Sterblichkeitsrate von zunächst 10 Prozent auf 7,7 Prozent gesunken sei. Dies bedeute, dass die Gegenmaßnahmen greifen. Auch die Organisation Ärzte ohne Grenzen, die in Haiti acht Zentren zur Behandlung von Cholera unterhält, stellte Verbesserungen fest. „Die Tatsache, dass wir weniger schwere Fälle sehen, legt nahe, dass die Menschen Vorsorgemaßnahmen ergreifen und die Gemeinschaft besser die Notwendigkeit begreift, strikte Hygiene zu wahren“, sagte der einer ihrer Koordinatoren in Saint-Marc.

Unterdessen rätselten Experten weiter über den Grund für den Ausbruch der Cholera, die in Haiti seit hundert Jahren ausgerottet war, bevor sie vergangene Woche entlang des Artibonite-Flusses auftrat. Am Dienstag gingen Gerüchte um, dass womöglich Soldaten der UN-Friedenstruppen aus Nepal die Seuche eingeführt haben könnten. Chaignat wies diese Hypothese jedoch als „völlig unmöglich“ zurück und sagte, es sei nicht das erste Mal, dass der Auftritt von Cholera in einem Land unerklärbar bleibe.