Noch immmer gibt es nur spärliche Nachrichten über die Situation im Land. Die Zahl der Toten könnte “deutlich über 100.000“ liegen.

Bonn. Einen Tag nach dem schweren Erdbeben auf Haiti ist das Ausmaß der Katastrophe immer noch unklar. Präsident Rene Preval wollte sich noch nicht zur Zahl der Opfer äußern. Es gebe „viele Opfer, vielleicht Tausende“, sagte er nach internationalen Medienberichten. „Alle Krankenhäuser und Leichenhallen sind voll."

Haitis Regierungschef Jean-Max Bellerive sagte CNN, die Zahl der Toten könne „deutlich über 100.000“ liegen. „Ich hoffe, dass das nicht wahr ist.“ Es seien jedoch „so viele Gebäude, so viele Gegenden völlig zerstört“ worden, dass er mit der hohen Zahl von Opfern rechne. Der Präsident des Deutschen Roten Kreuzes, Rudolf Seiters, sprach unter Berufung auf erste Schätzungen von drei Millionen Betroffenen und mindestens 30.000 Toten.

Zahlreiche Länder haben unterdessen Bergungsteams und Hilfslieferungen entsandt. Die Deutsche Bischofskonferenz und das Rote Kreuz riefen zu Spenden auf. Der Flughafen von Haitis Hauptstadt Port-au-Prince wurde für den Zivilverkehr gesperrt. Die USA beorderten einen Flugzeugträger mit Transport-Hubschraubern an Bord nach Haiti.

Haitis Botschafter in Deutschland, Jean-Robert Saget, forderte ein umfassendes Hilfsprogramm der internationalen Gemeinschaft. Notwendig sei eine Art Marschallplan für den Wiederaufbau und zur Ankurbelung der Wirtschaft, sagte er im ZDF.

Unterdessen gibt es weiterhin spärliche Nachrichten über die Situation im Land. Der Regionalkoordinator der Welthungerhilfe in Haiti, Michael Kühn, sagte am Donnerstag im ZDF-Morgenmagazin, in der größtenteils verwüsteten Hauptstadt Port-au-Prince sei die Lage „dramatisch“. Die Menschen seien schreiend und betend durch die Straßen gelaufen und trauten sich nicht mehr in die Häuser. An den Straßen lägen Leichen. Die vielen Verletzten seien oft sich selbst überlassen; es gebe kaum Nahrungsmittel und Trinkwasser. Das Rote Kreuz schätzt, dass jeder dritte Haitianer auf Hilfe angewiesen ist. Hilfsorganisationen berichten von Plünderungen.

Nach Angaben von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon starben mindestens 16 Mitarbeiter der Weltorganisation, darunter zehn Blauhelmsoldaten aus Brasilien, drei aus Jordanien und einer aus Haiti. 56 Mitarbeiter wurden verletzt, weitere 150 würden noch vermisst.

Nach Angaben der Bonner Don Bosco Hilfswerke sind drei Einrichtungen des Salesianer-Ordens in der Hauptstadt nahezu komplett zerstört. In den Trümmern der technischen Schule und des Straßenkinderzentrums Lakay seien mehr als 200 Kinder und Jugendliche sowie ein Salesianer verschüttet. Auch die Don-Bosco-Einrichtungen in Carrefour, Petion Ville und Gressier seien beschädigt.

Prekär ist nach Angaben der Salesianer die Versorgung der Bevölkerung. „Schon jetzt hatten wir 26.000 Kinder, die in unseren Schulen ihre einzige Mahlzeit am Tag erhielten“, erklärte ein Sprecher in Bonn. „Es gibt keinen funktionierenden Katastrophenschutz. Wir müssen mit dem Schlimmsten rechnen.“

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Die zuständige Länderreferentin der Welthungerhilfe, Ute Braun, forderte auf „Spiegel online“ eine schnelle und langfristige Hilfe für das Land, das als Armenhaus der westlichen Hemisphäre gilt. „Es könnte sonst vielleicht dazu kommen, dass Port-au-Prince völlig unkontrollierbar wird.“ Plünderungen und gesetzlose Zustände seien angesichts der zuvor schon teilweise chaotischen Zustände auf Haiti durchaus vorstellbar. Dazu komme, dass auch politische Institutionen und Personengruppen von der Katastrophe betroffen seien, die zuständig wären, nun Wege aus dem Desaster zu finden.