Als Kind habe sie noch nicht einmal Quartett gespielt, sagt die 41-jährige Hamburgerin. Heute ist Katja Thater nicht nur Deutschlands einziger weiblicher Poker-Profi, sondern auch Weltmeisterin im Zocken.

Hamburg. Die Frau zockt - das zeigt schon die Terminabsprache: Zusage, Absage, Hinhalten, Zusage. Katja Thater ist ein Poker-Profi - und zwar der einzige weibliche in Deutschland. Zwischen Las Vegas und London, Berlin und den Bahamas hat die blonde Hamburgerin allein im vergangenen Jahr mehr als 300 000 US-Dollar Preisgeld gewonnen, dazu kommt der hoch dotierte Sponsor-Vertrag.

Ist sie spielend reich geworden? "Pokern ist ein harter Job. Krieg auf psychologischer Ebene, mit Chips als Munition", sagt Katja Thater. Ein langer, stechender Blick aus stahlblauen Augen, keine Regung. Ein Pokerface.

Kein Zweifel, sie dominiert das Spiel. Sie ist die Feldherrin über die Pokertische dieser Welt, ihre Gegner macht sie gnadenlos platt. Mit fester, tiefer Stimme sagt sie: "Beim Poker geht es darum, wer der Tarzan am Tisch ist. Und das bin ich." "Lady Horror" heißt sie deshalb in der Szene. Und wer einen Spitznamen hat, der hat es geschafft im knallharten Poker-Geschäft.

Längst hat sich Pokern vom Hinterzimmerspiel zum weltweiten Wirtschaftsfaktor entwickelt: Mindestens 400 000 Deutsche zocken regelmäßig in Casinos und privaten Runden, Schätzungen zufolge noch einmal mehr als zehnmal so viele im Internet. Allein mit Online-Poker wurden im vergangenen Jahr rund um den Globus drei Milliarden Dollar umgesetzt. Und Marktbeobachter schätzen, dass die Umsätze in den kommenden Jahren noch weiter steigen werden.

Die Spieler sind mehrheitlich männlich. Weil es nur eine Handvoll Frauen gibt, "die bereit sind, ihr Handtäschen zu packen und in den Krieg zu ziehen", sagt Thater. Als sie bei ihren ersten Turnieren in Las Vegas den Spielsaal betrat, sagten die Männer noch "Hey, Huhn, du hast dich verlaufen" oder "Bist du hier die Massage-Maus?" Heute knurren alle nur noch "Shit!". Immer wenn "Lady Horror" gegenüber am Spieltisch Platz nimmt und sich erst mal einen Zigarillo anzündet. Wie jetzt in ihrem Büro, ein paar Schritte von der Alster entfernt.

Hier betreibt sie mit ihrem Mann Jan eine Online-Pokerschule, 100 000 Nutzer hätten sich bereits angemeldet, sagt Thater. In enger Jeans und taubenblauer Bluse sitzt sie in einem kahlen Konferenzraum. Im Regal stehen Bücher, die "The Theory of Poker" oder "Super System 2" heißen. Auf die weiße Tafel hat jemand mit bunten Farbstiften Spielzüge skizziert.

Ob sie ihre Taktik verrät? Nein, in die Karten lässt sich Katja Thater nicht gucken. Dafür ins Dekollete. "Das macht den ein oder anderen Gegner nervös." Natürlich flirte sie mit den Männern am Tisch. Harte Arbeit sei das, "denn die meisten tragen extrem unsexy Jogginganzüge."

Sie selbst trägt im Casino meist weiße Oberteile. Und sie stapelt grundsätzlich zwei Stühle übereinander. Damit gleich klar ist, wer über die Runde herrscht. "Wenn ich tief sitze, fühle ich mich wie in der Sesamstraße." Eine Sonnenbrille setze sie nur dann auf, "wenn die Augenringe zu krass werden". Wenn sie die vierte Woche in Folge täglich 15 Stunden spielt. Sonst hält sie wenig davon, sich zu vermummen: "Wenn ich da sechs Kapuzen am Tisch hocken sehe, kann ich nur sagen: Jungs, das ist wie im Kindergarten, und ihr müsst echt an eurem Spiel arbeiten."

Als guter Pokerspieler müsse man aggressiv sein, gemein, leidensfähig, körperlich belastbar. Alles Eigenschaften, die man eher Männern zuschreibe. "Man muss genau wissen, was man will", sagt Thater.

Sie wusste das schon immer. Nach der kaufmännischen Lehre fing sie in der Baufirma ihres Vaters an - und wechselte dann mal eben zur Konkurrenz, "weil die besser gezahlt haben." Später ging sie zum Kunststudium nach Barcelona, "obwohl ich kein Wort Spanisch sprach". Doch das Wort "Zweifel" gehört nicht zu Katja Thaters Vokabular. Sie kommt, sieht und siegt. Auch in der Liebe. Als sie ihren heutigen Mann Jan von Halle in einem Hamburger Reitstall kennenlernte, wusste sie gleich: "Der ist es." Zwei funktionierende Ehen mussten dran glauben. Jan, selbst Poker-Profi, entfachte bei Katja Thater ("Als Kind habe ich noch nicht mal Quartett gespielt") die Leidenschaft - auch für die Karten: 1999, Casino Baden bei Wien.

Katja Thater sitzt bei einem "Seven Card Stud", einer Variante des Pokerspiels, hinter ihrem Mann. "Ich war das Groupie", sagt sie. Bis ihr Mann plötzlich mitten in der Partie aufsteht und sagt: "Schatz, ich muss mal kurz auf's Klo. Mach einfach weiter." Katja Thater machte weiter. Nach der Partie wusste sie, dass ihre Marktingagentur in Hamburg künftig auf sie verzichten muss.

Vier Monate später spielte sie ihr erstes eigenes Turnier, 2003 gewann sie ihr erstes. 140 Gegner fegte sie damals vom Tisch. In den Olymp der Pokerprofis stieg Thater, die in der deutschen Poker-Nationalmannschaft spielt, in Las Vegas auf. Dort, wo ein kleiner Buchmacher aus Tennessee mit dem verheißungsvollen Namen Chris Moneymaker vor fünf Jahren den weltweiten Poker-Boom begründete: Er zahlte 39 Euro für die Teilnahme an einem Online-Qualifikationsturnier, schaffte den Sprung ins wichtigste Turnier der Welt, die World Series of Poker (WSOP), setzte sich dort sensationell gegen die Weltelite durch und zog mit 2,5 Millionen Dollar in der Tasche zurück nach Tennessee.

Thater gewann in der glitzernden Spielerstadt in der Wüste von Nevada im Juni 2007 ihr erstes Turnier in der WSOP - und damit ihr erstes "Bracelet", ein massiv goldenes, mit Brillanten besetztes Armband. Das, was für Boxer der Weltmeister-Gürtel ist.

"Leider ist das Ding echt grottenhässlich", sagt Thater. "Man sieht, dass es für amerikanische Männer entworfen wurde." Trotzdem will sie mehr davon. "Zwölf wären gut. Damit könnte ich schön den Weihnachtsbaum schmücken." So klingt die Kampfansage, wenn eine Frau der einzige echte Kerl am Tisch ist.

Ihre Eltern hätten sich für die kleine Katja einen anderen Job gewünscht. Früher, als sie ihre Tochter zur Ballettstunde gefahren haben. Oder zum Flötenunterricht. "Poker-Profi stand mit Sicherheit nicht auf deren Wunschliste", sagt sie. Weil es immer noch ein bisschen anrüchig klingt. "Nach Rotlicht", sagt Thater. Nach fiesen Männern mit Goldkettchen in der letzten Spelunke. "Dabei ist das ein richtiges Business", sagt Thater. Und ein Volkssport. Allein die Fernsehübertragungen auf DSF oder Eurosport schalten mitten in der Nacht durchschnittlich 300 000 Zuschauer ein.

Thaters Eltern haben auch zugesehen - live. Über Weihnachten auf den Bahamas waren sie dabei, als ihre kleine Katja reihenweise die Männer killte - im Spiel. Sie habe schon viele Angebote bekommen. Von Scheichs, die für viel Geld mal auf einer Yacht gegen sie spielen wollen. "Kommt überhaupt nicht in Frage", sagt Thater. Genau so wenig wie eine Poker-Partie am heimischen Küchentisch. "Andere Leute nehmen ihre Akten ja auch nicht mit nach Hause."

In wenigen Wochen wird aus Katja Thater wieder "Lady Horror" werden - in Las Vegas will sie ein weiteres Bracelet gewinnen. Und was ist Poker nun genau - Sport, höhere Mathematik oder Taktik? "70 Prozent ist Strategie", sagt Katja Thater. "Der Rest ist Glückssache."