Ein mutmaßlicher Täter hat sich der Polizei gestellt - und die Namen seiner Komplizen verraten. Nach ihnen wird jetzt gefahndet.

Berlin. Sie wollten ganz große Gangster sein mit ihrem Coup. So wie in Hollywoodfilmen à la „Oceans Eleven“ mit George Clooney, in dem ein Spielcasino in Las Vegas ausgeraubt wird. Aber der Überfall auf das Pokerturnier am 6. März in Berlin war mindestens zwei Nummern zu groß für die junge Vierer-Bande aus Kreuzberg und Neukölln. Nun ist die Tat aufgeklärt und aus den Schilderungen der Fahnder wird noch klarer als bisher, wie stümperhaft die Bande vorging. Ein mutmaßlicher 21-jähriger Täter stellte sich bereits am Montag der Polizei und verriet auch seine Komplizen. Der „Fahndungsdruck“ sei zu groß für ihn gewesen, sagt Oberstaatsanwalt Sjors Kamstra am Mittwoch mit zufriedener Miene.

„Fahndungsdruck“ ist ein Wort, das Clooney vermutlich gar nicht kennt. Der junge Mann aus Kreuzberg offenbar umso mehr. Er wurde nach „intensiver Befragung“ weich und nannte drei Namen und Details der Tat und bot sogar die Rückgabe seines Anteils der Beute von 242.000 Euro an. Die Polizei fahndet mit Fotos nach den flüchtigen Verdächtigen. Zwischen 19 und 21 Jahren alt sind die mutmaßlichen Täter, junge Männer mit türkischer oder arabischer Herkunft, die der Polizei schon vorher bekannt waren. Diebstähle oder Raubüberfälle brachten sie vor Gericht oder ins Gefängnis.

Als sie von dem vielen Bargeld in der Kasse des Turniers im Hyatt-Hotel erfuhren, kundschaftete der jetzt verhaftete 21-Jährige die Sicherheitsvorkehrungen aus. Staatsanwalt Frank M. Heller berichtete am Mittwoch auf einer Pressekonferenz: „Als er gesehen hat, dass das Wachpersonal keine Schusswaffen hat, haben sie den Entschluss zum Überfall gefasst.“

Die Vier stürmen am Samstagmittag mit einem Revolver und einer Machete das Hotel. Von da an geht alles schief. Wachmänner wehren sich, und als drei Mitglieder der Bande mit Jackentaschen voller Bargeld schon wieder am Ausgang sind, fehlt der vierte. Sie laufen zurück und befreien ihn aus dem Schwitzkasten eines 2 Meter großen Sicherheitsmannes. Dabei bleiben auch hunderttausende Euro aus der Beute auf der Strecke. Die Männer rennen zu ihrem abseits geparkten Mercedes und fliehen. Kurz darauf läuft die Fahndung nach dem Auto. Ein Zeuge hatte sich das Kennzeichen gemerkt und zügig die Polizei informiert.

Das Auto habe direkt zu einem der Täter geführt, sagt der Leiter des Raubdezernats der Kripo, Stefan Teller, am Mittwoch. Trotzdem schlägt die Polizei nicht direkt zu. Erst müssen Zeugenaussagen, Filme und ein „Berg von Spuren“ ausgewertet werden. „24 Stunden am Tag“ hätten seine Leute gearbeitet, sagt Teller. „Das dauert, bis das Puzzle sich so verdichtet, bis es für einen Haftbefehl reicht.“

Als der Haftbefehl am 12. März ausgestellt wird und die Spezialeinsatzkommandos (SEK) der Polizei losziehen, sind die Wohnungen leer. Die Räuber sind längst untergetaucht. Wie der 21-Jährige jetzt berichtete, teilten sie direkt nach der Tat die Beute auf und versteckten sich.

Verwirrung gibt es zunächst, als die Polizei sechs Tage nach dem Überfall einen Verdächtigen festnimmt und schnell wieder freilässt. Von einer Verwechslung war zunächst die Rede. Der Mann soll 2004 ein Spielcasino am Alexanderplatz überfallen haben. Nun sagte Staatsanwalt Heller, bei dem Mann sei ein Zettel mit sechs Namen gefunden worden. Drei Namen gehören zu der jetzt bekannten Bande. Es gebe noch Gesprächsbedarf, versicherte die Staatsanwaltschaft.

Der 21-Jährige, der als erster der Bande aufgab, will möglicherweise als Kronzeuge aussagen, um eine leichtere Strafe zu erhalten. Ob das in Frage komme, müsse das Gericht entscheiden, sagte Kamstra. „Aber es spricht eine Menge dafür.“ Ungewiss ist jetzt noch, wann die fehlenden Täter gefasst werden. „Vielleicht morgen, vielleicht in zwei Wochen, vielleicht in zwei Jahren, niemand kann das wissen“, antwortete Kamstra auf eine entsprechende Frage. Das war der einzige Moment, an dem der sonst so entspannte Oberstaatsanwalt am Mittwoch etwas gereizt klang.